«Gut Ding will Weile haben» - Ja, aber jetzt macht endlich vorwärts!

Donnerstag, 21. Oktober 2021 - Gertrud E. Bollier
Das Parlament behandelt derzeit die Reformvorlagen AHV 21 und BVG 21. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Vorstösse, die die Altersvorsorge verändern sollen. Eine Übersicht.

Mit ihrem Drei-Säulen-System der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge war die Schweiz bis 2007 im internationalen Vergleich der Rentensysteme immer in den Spitzenrängen vertreten. Inzwischen sind wir auf Platz 12 von 39 zurückgefallen. Dies ist hauptsächlich auf die konsequente Weigerung zurückzuführen, das Konzept an die veränderten Rahmenbedingungen (steigende Lebenserwartung und sinkende Kapitalerträge) anzupassen.

Anlässlich der Ablehnungen des Reformpakets Altersvorsorge 2020 und auch der Mehrwertsteuererhöhung am 24. September 2017 wurde der Wählerschaft versprochen, sofort mit der Reform der AHV und der beruflichen Vorsorge zu beginnen und bis 2021 die neue Gesetzgebung einzuführen. Bundesbern lässt sich Zeit, wie aus den beiden vorstehenden Beiträgen zu ersehen ist.
In jeder Schlacht gibt es auch Nebenschauplätze mit mehr oder weniger erfolgreichen Kriegern; bemerkenswerte Vorstösse sind:

Renteninitiative der Jungfreisinnigen

Erstaunlicherweise sorgt sich unsere Jugend um die Altersvorsorge (im CS-Jugend-Sorgenbarometer 2020 nach der Corona-Pandemie auf Platz 2). Um die AHV vor dem Bankrott zu retten, haben sie einen Drei-Punkte-Plan aufgestellt: 1. gleiches Rentenalter für Frau und Mann; 2. Erhöhen des Rentenalters auf 66 Jahre bis 2032 und 3. Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Am 25. August 2021 erklärte die Bundeskanzlei, dass die Renteninitiative mit 109 049 gültigen Stimmen zustande gekommen sei. Die Jungfreisinnigen sind der Auffassung, dass das Erhöhen des Renteneintrittsalters zur Stabilisierung der AHV ausreiche. So könne auf eine Zusatzfinanzierung, sei es durch Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Beiträge, verzichtet werden.

Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente

Am 5. März 2020 hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (wieder einmal) beschlossen, eine Initiative für eine zusätzliche 13. AHV-Rentenzahlung pro Jahr zu lancieren. «Wer ein Leben lang gearbeitet hat, verdient auch eine gute Rente.» Mit 137 550 Unterschriften wurde die Initiative am 28. Mai 2021 der Bundeskanzlei eingereicht. Die Überprüfung durch die Bundeskanzlei ergab, dass auch diese Initiative zustande gekommen ist.

STAF – Wirkung auf die AHV

Mit Annahme der Steuerreform und der AHV-Finanzierung am 19. Mai 2019 wurde ab 2020 der AHV-Beitragssatz (erstmals seit 1975) um 0.3 Prozentpunkte erhöht. Das und zwei kleinere Massnahmen betreffend Bundesanteil an die AHV bringen jährliche Mehreinnahmen von rund 2 Mrd. Franken. Damit ist für zwei bis drei Jahre mit einem positiven Umlageergebnis (seit 2014 war es negativ) zu rechnen.

Generationeninitiative

Altersvorsorge soll fair und sicher sein, auch für kommende Generationen. Dazu beitragen soll die eidgenössische Volksinitiative «Ja zu fairen und sicheren Renten (Generationeninitiative)», die am 7. September 2021 in Bern lanciert wurde. Das Renteneintrittsalter (für Frauen und Männer gleich) soll in der 1. und der 2. Säule unter Berücksichtigung der Lebenserwartung regelmässig angepasst werden. Die berufliche Vorsorge sei im reinen Kapitaldeckungsverfahren, ohne systemfremde Umverteilung, zu führen. Die diesbezüglichen Beiträge und Leistungen seien so festzulegen, dass langfristig die Generationengerechtigkeit gewährleistet sei. Die Altersrenten der beruflichen Vorsorge würden laufend aufgrund klar festgelegter Regeln an die Rahmenbedingungen – und nicht an den Nominalwert der Rente – angepasst. Zum Erreichen dieses Ziels sollen auch bereits laufende Altersrenten der beruflichen Vorsorge in moderaten Schritten gesenkt werden.

Verein faire Vorsorge

Der Verein will strukturelle Anpassungen zur Sicherung des Generationenvertrags vornehmen. Zur Entlastung des «Demografie-Problems» der AHV soll der Kapitalmarkt als zusätzlicher Beitragszahler aufgebaut werden.

In der beruflichen Vorsorge soll das Obligatorium vollumfänglich gelten, aber durch Wahlmöglichkeiten flexibler werden. Zur Stabilisierung soll die berufliche Vorsorge keine ungeplanten Umverteilungen mehr enthalten. Zu den wichtigsten Elementen der hier angedachten Reform zählen der Wegfall der Hinterlassenenrenten, des Koordinationsabzugs, des Mindestumwandlungssatzes und -zinses. Weiter vorgesehen sind ein einheitlicher Beitragssatz mit steigendem Arbeitnehmeranteil und die Abdeckung des Langlebigkeitsrisikos durch einen separaten Pool. 

Sozialpartner-Kompromiss – entspricht den heutigen bundesrätlichen Vorschlägen zur Reform der beruflichen Vorsorge

Beteiligt sind der Arbeitgeberverband, der Gewerkschaftsbund sowie Travail Suisse. Der ebenfalls an den Verhandlungen beteiligte Gewerbeverband trägt den Kompromiss nicht mit.

Modell Gewerbeverband

Parallel zum «Sozialpartner-Kompromiss» hat der Gewerbeverband seinen eigenen Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge vorgelegt. Er soll rund 1 Mrd. Franken günstiger ausfallen. Der Umwandlungssatz soll von heute 6.8% auf 6% gesenkt werden, während die Eintrittsschwelle und der Koordinationsabzug unverändert bleiben. Die Altersgutschriften sollen gegenüber heute in jüngeren Jahren erhöht werden. Das Einführen von Umlageelementen wird strikte abgelehnt.

Mittelweg des ASIP

Im Mai 2019 hat der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP) sein Modell für die anstehende Reform präsentiert. Verlangt wird die Senkung des Umwandlungssatzes auf 5.8%. Das Leistungsziel mit 60% des letzten AHV-Lohns soll gewahrt werden. Dazu sollen der Sparbeginn auf Alter 20 vorverlegt und die Altersgutschriften abgeflacht werden (in jüngeren Jahren höher als gegenwärtig). Der Koordinationsabzug soll neu 60% des AHV-Lohns betragen, höchstens jedoch drei Viertel der maximalen AHV-Vollrente. Kompensationsmassnahmen sieht der ASIP für zehn Jahre vor. Sie sind dezentral durch die Pensionskassen zu finanzieren. Denn in den meisten Pensionskassen kann die Erhöhung der Altersguthaben über die dafür bereits getätigten Rückstellungen zugunsten der betroffenen Versicherten finanziert werden (FRP 2). Auch der ASIP ist strikte gegen eine (zusätzliche) Umverteilungskomponente in der beruflichen Vorsorge.

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