Bundesrat will eine Milliarde Franken im Gesundheitswesen sparen

Mittwoch, 19. August 2020
Der Bundesrat will eine Milliarde Franken pro Jahr im Gesundheitswesen sparen. Das will er mit einem Kostendeckel erreichen. Zudem sollen sich Patientinnen und Patienten vor dem Arztbesuch künftig an eine Erstberatungsstelle wenden. Die Berufsverband der Schweizer Ärztinnen FMH kritisiert diese Massnahmen.

Der Bundesrat hat am 19. August eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen die stetig steigenden Kosten zulasten der Krankenkassen (seit 1990 verdreifacht) gedämpft werden. Das Massnahmenpaket umfasst globale Kostendeckel durch Zielvorgaben, verbesserte Behandlungskoordination durch Erstberatungspflicht und Förderung von Behandlungen in Netzwerken sowie weitere Eindämmung der Medikamentenpreise.

In den vergangenen Jahren hat der Bund bereits die Medikamentenpreise gedrückt und an den Tarifen geschraubt. Ein erstes Bündel von Sparmassnahmen, das auf die Vorschläge einer Expertengruppe zurückgeht, liegt bereits beim Parlament. Bis am 19. November 2020 ist nun das zweite Massnahmenpaket in der Vernehmlassung.

Obligatorische Erstberatungsstellen

Vor einem Arztbesuch sollen sich Patienten künftig an eine obligatorische Erstberatungsstelle wenden. Das kann eine Hausärztin oder ein Hausarzt, eine HMO-Praxis oder ein telemedizinisches Zentrum sein, welche auf kantonalen Listen geführt werden sollen. Solche Modelle hätten sich bewährt und seien breit akzeptiert, sagte Berset dazu. Heute sind gut zwei Drittel der Versicherten in einem Hausarzt- oder HMO-Modell versichert und profitieren von entsprechenden Rabatten. Weil so unnötige Behandlungen vermieden werden können, fallen die Kosten markant tiefer aus.

Auch die koordinierte Versorgung in Leistungserbringer-Netzwerken will der Bundesrat mit dem Sparpaket stärken. Davon können insbesondere Patientinnen und Patienten mit mehreren chronischen Krankheiten profitieren. Neu werden die Netzwerke als Leistungserbringer anerkannt. Die Leistungen werden über Pauschalen abgegolten. Zudem soll der Koordinationsaufwand von den Versicherern vergütet werden.

Globaler Kostendeckel

Eine weitere zentrale Massnahme ist eine Zielvorgabe für die Kosten: Der Bundesrat legt ein nationales Gesamtkostenziel fest, das dann auf Kostenblöcke wie Spital- und Arztbehandlungen oder Arzneimittel aufgeteilt wird. Für die Einhaltung der Kostenziele müssen in erster Linie die Leistungserbringer und die Krankenkassen sorgen. Für die Durchsetzung sind die Kantone zuständig. Der Bundesrat lässt es in der Vernehmlassung offen, ob sie bei Überschreitung der Kosten Massnahmen ergreifen müssen oder nicht. Solche Massnahmen würden in erster Linie bei den Tarifen ansetzen.

Das Paket umfasst eine Reihe weiterer Massnahmen: Behandlungsprogramme für chronisch Kranke oder in der Rehabilitation sollen zu besseren Ergebnissen und letztlich zu tieferen Kosten führen. Neu soll der Bundesrat festlegen können, wie und wann Leistungen auf ihre Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden.

Preisreduktion für teure Therapien

Weiter will der Bundesrat eine gesetzliche Grundlage für Preismodelle schaffen. Es handelt sich um Vereinbarungen, die einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen, teuren Arzneimitteln und Therapien ermöglicht. Dabei müssen Pharmaunternehmen einen Teil der Kosten an die Versicherer zurückerstatten. Die Dokumente im Zusammenhang mit Preismodellen sollen unter Verschluss bleiben.

Weitere Massnahmen sind die Einführung von Referenztarifen, um den Wettbewerb unter den Spitälern sicherzustellen sowie die Verpflichtung, Rechnungen elektronisch nach einheitlichen Standards zu übermitteln. Der Bundesrat schätzt das Sparpotenzial auf rund einer Milliarde Franken, was rund drei Prämienprozenten entspricht. Genau wisse man das aber erst, wenn die Massnahmen umgesetzt seien, sagte Berset.

Kritische Position der FMH

In einer Medienmitteilung des Berufsverbands der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) positioniert sich die Schweizer Ärzteschaft zu den Initiativen des Bundesrats. Darin werden vor allem zwei Massnahmen kritisch kommentiert.

In der obligatorischen Kontaktierung einer Erstberatungsstelle sieht die Ärzteschaft eine Einschränkung der freien Arztwahl. Die Erstberatungsstellen würden auf einer kantonalen Liste geführt, was den ungehinderten Zugang zu ärztlicher Behandlung erschwere. Auch würde dieses Vorgehen Nachteile für chronisch Kranke mit sich bringen.

Des Weiteren wird die Zielvorgabe für Kosten kritisiert, da diese mit einer Beschneidung des medizinischen Leistungsumfangs einhergehe. Befürchtet wird eine Minderung der Qualität der medizinischen Leistungen und mangelnde Patientenzufriedenheit. (sda/he)

 

Die Massnahmen des Bundesrats im Detail

 

 

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