Ferien soviel Du willst

Montag, 17. Januar 2022 - Claudio Zemp
Nachgefragt bei Michael Bär, CEO MBaer Merchant Bank AG.
Herr Bär, seit dem 1. Januar können die rund 30 Mitarbeitenden Ihrer Bank soviel Ferien nehmen, wie sie wollen. Wieso überhaupt?

Es gibt zwei Beweggründe. Erstens haben viele Leute Stress mit ihren Ferien. Sie sparen sie auf oder beziehen die Ferientage selten, auch wenn sie müde sind. Das hat sich in der Coronazeit noch verstärkt gezeigt. In dieser Pandemiezeit schickten wir sogar Mitarbeitende in die Ferien. Einige kamen lieber zur Arbeit, da man unter anderem Reisen nicht wie gewohnt planen konnte. Dabei sollten Ferien doch etwas Schönes sein und keinen Stress verursachen. Zweitens bauen wir als junge Bank auf Vertrauen gegenüber unseren Mitarbeitenden. Diese Philosophie leben wir intern. Da fragte ich mich schon lange, wieso wir als Bank ein Ferienreglement auf Misstrauen aufbauen sollten. Da will ich nicht kleinlich sein: Unsere Mitarbeitenden sollen daher Ferien nehmen können, wann sie wollen. Sie sollen die Freiheit haben zu planen – und nicht Ferientage bunkern müssen.

Das tönt nun paradiesisch. Welche Widerstände gab es bei der Umsetzung?

Wenige. Wir halten uns mit der neuen Regelung weiterhin an die Vorgaben der Bankiervereinigung. Heisst: Unsere Mitarbeitenden müssen mindestens fünf Wochen Ferien machen – und davon im Minimum zwei am Stück. Ein paar Grundlagen dazu wurden aber von uns aufgestellt: Die Angestellten können soviel bezahlte Ferien nehmen, wie sie wünschen – unter der Bedingung, dass die Arbeit und die Projekte nicht darunter leiden. Die geplante Abwesenheit muss eingetragen werden und eine Stellvertretungsregelung muss sichergestellt sein. Man kann nicht einfach am Morgen anrufen und sagen, man sei dann mal weg. Das sind dann aber schon alle Regeln für die von uns gewährten Ferienfreiheiten.

Was hat sich administrativ geändert?

In der Buchhaltung praktisch nichts. Die technische Abwicklung ist bei uns schon lange digitalisiert. Man gibt weiterhin die Ferientage ein, die gezählt und abgerechnet werden. Wir führen Ferienstatistiken und es wird auch kontrolliert, ob die wenigen geltenden Regelungen eingehalten werden.

Leseempfehlung:

Sie haben sich von Tech-Startups aus dem Silikon Valley inspirieren lassen. Sind Sie sicher, dass das auch in der Schweiz funktioniert?

Ja, die Erfahrungen in den USA sind gut dokumentiert. Es funktionierte nur da nicht, wo die Leute zu wenige Ferientage nahmen. Notabene in den USA, wo es nach Gesetz nur zwei Wochen Urlaub gibt. Wir haben uns für ein ähnliches Modell wie Netflix entschieden. Das modifizierte Modell beinhaltet ein höheres Minimum an Ferientagen – die fünf Wochen. Unsere Mitarbeitenden bestimmen somit selbst, wieviel Ferien sie über den Mindestanspruch hinaus beziehen wollen. Wer sind wir als Arbeitgeber, wenn wir einem Mitarbeitenden sagen, wie viele Ferientage er oder sie benötigt? Wenn ich abwesend bin, muss auch ich das mit dem Team besprechen, auch ich muss Homeoffice anmelden und kann nicht einfach fehlen. Nun haben wir einfach alle die gleichen Regeln.

Gibt es keine Limite?

Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten viel und gerne. Da liegt es an uns, ihnen eine moderne Unternehmenskultur anzubieten. Wir setzen dabei auf die Eigenverantwortung. Damit fahren wir gut. Die einzige Limite, die es gibt, ist, dass ab einer gewissen Anzahl Ferienwochen am Stück auch unser Angebot des unbezahlten Urlaubs zum Zuge kommen könnte. Dies wird aber situativ angeschaut.

Was erhoffen Sie sich weiter davon?

Dieses Ferienmodell ist Teil unserer Unternehmenskultur. In Zeiten von flexiblen Arbeitszeiten und Remote Work war es für uns der klare nächste Schritt. Dazu passt auch, dass wir keine Seniority-Regel mehr führen. Ich bin älter als die meisten Mitarbeitenden, werde bald 60 Jahre alt. Ältere Leute benötigen tendenziell etwas mehr Zeit, um sich zu erholen. Aber mit Corona haben wir gemerkt, dass auch die Jungen mehr Zeit beanspruchen. Also haben wir diese Regel abgeschafft. Wir haben Weisungen und Reglemente für alles, in einer Bank. Das sind teilweise riesige Regelwerke, die gesetzlich vorgegeben sind. Persönlich finde ich, dass einige vereinfacht werden könnten.

Artikel teilen


Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.

Folgen sie uns auf