Trauer im Team

Donnerstag, 02. März 2023
Gibt es einen richtigen oder falschen Umgang mit trauernden Teammitgliedern? Welche Erwartungen an die Führung gibt es bei Todesfällen im Team?

Menschen, die zusammenarbeiten, sind einander verbunden – manchmal enger, manchmal eher beiläufig. Dieser soziale Zusammenhalt fördert die Zusammenarbeit und die Zufriedenheit im Job. Wird eine Person im Team von einem Schicksalsschlag getroffen, ist daher häufig das ganze Team betroffen.

Viele Trauernde bleiben eine Weile der Arbeit fern. In dieser Zeit müssen eventuell Aufgaben umverteilt und einige Prozesse neu geregelt werden. Es ist ja nur temporär. Denn Trauer unterliegt einer unausgesprochenen Konvention: Sie muss irgendwann vorbei sein. Nach der ersten Trauerphase sollte dann wieder der Normalzustand eintreten. Zumindest sollten sich die Trauernden wieder ihrer Arbeit zuwenden können. Doch plötzlich treten Probleme auf: Es gibt zwischen Teamkollegen unvermittelt Spannungen, es kommt zu krankheitsbedingten Absenzen, gar Burnouts, oder die Fehlerquote hat sich erhöht.

Petra Sutor arbeitet als Verantwortliche für Krisen- und Trauerbegleitung in einem internationalen Konzern. Sie ist Trauerbegleiterin (BVT e. V.), integrale Traumaberaterin und systemischer Coach. Sie qualifiziert Trauerbegleitende und bildet Menschen aus Unternehmen zum Thema Trauer am Arbeitsplatz fort.
Foto: © FotoFünkchen Ulrike Glesius

Trauer verändert

Trauer berührt Menschen auf sehr unterschiedliche Weise. Wer bereits mit dem Tod konfrontiert war, kennt diese Vielfalt, die durchaus Konflikte schaffen kann. Die Art und Weise, wie Trauer erlebt wird, hängt etwa von der Todesart, von der eigenen inneren Einstellung und von – vielleicht unbewussten – Erfahrungen ab. Manche Menschen reagieren mit Wut und Gereiztheit auf Verlusterfahrungen, andere ziehen sich zurück, manche weinen bis zur Erschöpfung, wieder andere verdrängen. Mit den Reaktionen auf Trauernde verhält es sich ebenso. Die einen werden von eigenen Trauergefühlen überrollt, andere ziehen sich zurück, wieder andere helfen, wo sie können, und übertreiben es vielleicht.

Vielen Menschen gemein ist Sprachlosigkeit. Dies hat Petra Sutor festgestellt. Sie verantwortet in einem internationalen Konzern die psychosoziale Beratung sowie die Krisen- und Trauerbegleitung und ist als Dozentin und Trainerin tätig. Petra Sutor hat ein Buch über Trauer am Arbeitsplatz geschrieben und berichtet, dass Menschen häufig nicht wissen, welche Worte in einem Todesfall angemessen wären. Wie persönlich darf man werden, ist ein Ansprechen der Situation von der trauernden Person überhaupt gewünscht? Vermag man die eigenen überbordenden Gefühle zu kontrollieren? Petra Sutor gab im Gespräch zu bedenken, dass es Menschen gebe, die noch nie eine Todeserfahrung gemacht haben und starke Trauer nicht kennen. Auch könnten eigene, noch nicht verarbeitete Verlusterfahrungen Gründe sein, warum manche Menschen die Kommunikation mit Mitarbeitenden oder Teammitgliedern vermeiden. Trauer löse Unsicherheit aus und ein Vermeidungsverhalten könne Trauernde im schlechtesten Fall in eine soziale Isolation treiben, die die Trauer noch verstärken kann, erklärt Petra Sutor in ihrem Buch.

Für alles einen Weg

Die wichtigste Botschaft, die man einer trauernden Person auf den Weg geben sollte, sagt Sutor, laute: «Wir finden für alles einen Weg.» Damit nehme man im ersten Moment den Druck vieler Belastungen von den Trauernden. Es sei zudem im zweiten Schritt wichtig abzuklären, welche Unterstützung die Trauernden im Moment brauchen, vor allem aber, ob sie überhaupt im Unternehmen vom Team auf den Todesfall angesprochen werden wollen und ob bzw. wie das Team zu informieren ist.

Zudem sei es sinnvoll, sich zu erkundigen, ob die trauernde Person allein ist oder ob ihr andere Menschen beistehen, ob es Sorgen hinsichtlich der finanziellen Situation gibt und ob versicherungstechnische Abklärungen getroffen werden müssen (siehe Sozialversicherungen: 7 Tipps im Trauerfall). Ein Todesfall kann zu finanziellen Notlagen führen, beispielsweise wenn ein vollverdienender Ehemann stirbt, dessen Frau in Teilzeit arbeitet und die Kinder versorgt. Verwitwete Elternteile benötigen gegebenenfalls vorübergehend auch Unterstützung bei der Familienorganisation. Oder die Familie benötigt psychologische Unterstützung, die ein Seelsorger oder eine Trauerbegleitung erbringen kann.

Bei der Arbeitgeberin von Frau Sutor gibt es Trauergruppen, die sich rein virtuell treffen. Eine dieser Trauergruppen wurde für Mütter, deren Kinder vor der Geburt gestorben sind, gegründet. «Sternenkinder kommen nicht so selten vor. Traditionell wird darüber nicht viel gesprochen, dabei trauern die Eltern häufig genauso, wie bei einem bereits geborenen Kind. Meistens wird diese Situation in der Arbeitsumgebung tabuisiert», berichtet sie aus ihrer Erfahrung.

Fragen zu einer internen Leitlinie für Trauer- und Krisenmanagement

Ein gut ausgearbeiteter Handlungsleitfaden für Krisen- und Todesfälle im Unternehmen unterstützt Führungskräfte bei der adäquaten Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Petra Sutor regt an, über folgende Fragen zu reflektieren.

Kommunikation
  • Kommunikation im Krisenfall: Wer ist wann durch wen zu informieren?
  • Wie soll der Krisenplan kommuniziert werden?
  • Wie wird der Tod im Unternehmen bekannt gemacht und durch wen?
  • Für welche Mitarbeitenden werden Traueranzeigen aufgesetzt?
Organisation
  • Wie können Verantwortlichkeiten und Arbeitsabläufe temporär neu strukturiert werden?
  • Was ist im Falle einer längeren Abwesenheit im Hinblick auf die Arbeitsorganisation zu berücksichtigen?
  • Was geschieht mit den Arbeitsunterlagen und Arbeitsgeräten der verstorbenen Person?
Unterstützungsangebote
  • Welche professionelle Begleitung oder Gesprächsangebote können den Mitarbeitenden angeboten werden?
  • Welche sozialen oder finanziellen Hilfsangebote können geschaffen werden?
  • Welche Institutionen können intern oder Angehörige bei verschiedenen Anliegen unterstützen (Adressen, Ansprechpersonen, Dienstleistungen)?
Trauerbegleitung
  • Wie wird der Kontakt zu den Angehörigen nach dem Tod eines Mitarbeiters gestaltet und wer hält diesen nachhaltig?
  • Welche Rituale des Abschiednehmens gibt es bereits im Unternehmen oder sollen etabliert werden?
  • Wer geht zur Trauerfeier oder wird es eine Feier innerhalb des Unternehmens geben?
  • Wer räumt wann den Arbeitsplatz der verstorbenen Person?
  • Welche Rückzugsräume können zur Verfügung gestellt werden?

Selbstwirksamkeit

Wichtig in der Trauerbegleitung sei es, den Betroffenen ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu geben, erläutert Petra Sutor ihre Arbeit als Trauerbegleiterin. So ermuntere sie Betroffene, abklärende Gespräche hinsichtlich der Gestaltung von Arbeitspensum und -inhalten mit ihren Vorgesetzten selbst zu führen und bewusst zu reflektieren, welche Massnahmen jetzt helfen könnten. Diese Gespräche gäben in einer Phase stark empfundenen Kontrollverlusts Vertrauen in die eigene Handlungs- und Steuerfähigkeit zurück.

Erwartungen an die Führungskraft und das Teammanagement

Um als Führungskraft Betroffene und Team in der Trauerzeit gut zu unterstützen, sei es wichtig, sich der eigenen Haltung bewusst zu werden, führt Sutor aus. Sie empfiehlt zu reflektieren, welche Trauererfahrungen man gemacht, was man sich in diesen Situationen gewünscht und was einem geholfen hat. Worte der Anteilnahme an die HR-Abteilung zu delegieren sei keinesfalls ein angemessener Umgang mit der Situation. Plattitüden wie: «Das Leben geht weiter», «Du musst loslassen» oder «Die Zeit heilt alle Wunden» könnten durchaus verletzen, weil sie Desinteresse signalisierten, während gut gewählte Worte der persönlichen Anteilnahme durch den Chef oder die Chefin Sicherheit und Zugehörigkeit vermittelten. Wer keine Worte findet, darf dies aber kommunizieren. Dann kann man zum Beispiel sagen: «Es tut mir sehr leid, mir fehlen die Worte. Ich möchte aber, dass Sie wissen, dass wir für Sie da sind.»

Im Gespräch mit Betroffenen seien Zuhören und Nachfragen hilfreicher als gute Ratschläge oder das Vortragen eigener Verlusterfahrungen. Gleichwohl ermuntert Sutor Führungskräfte dahingehend, im Team als Vorbilder voranzugehen und über die Situation zu sprechen – und auch nach längerer Zeit immer wieder nachzufragen, wie es gehe.

Entlastungsmöglichkeiten schaffen

Veränderungen im Arbeitsalltag können Trauernden bereits Entlastung bringen. Sutor gibt hierzu folgende Anregungen:

  • Im Todesfall eines engen Angehörigen gibt es nach Schweizer Arbeitsrecht keinen expliziten Anspruch auf Arbeitsfreistellungen. In der Praxis weisen Unternehmensreglements ein bis drei Tage Sonderurlaub aus. Deshalb lassen sich Trauernde häufig per Arztzeugnis arbeitsunfähig schreiben. Ein firmeninterner Anspruch auf Sonderurlaub kann helfen, die erste Zeit der Trauer zu entzerren.
  • Flexible Anpassung der Arbeitszeiten: Trauernde sind häufig erschöpft, schlafen schlecht oder sorgen sich. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und ggf. Anpassung der Pausen kann entlasten. Auf Schichtwechsel sollte vorübergehend verzichtet werden. Wiedereingliederung oder Stundenverkürzung kann Stabilität und gleichzeitig Entlastung schaffen.
  • Unterstützung bei der Arbeit: Die Betroffenen können möglicherweise Vorschläge unterbreiten, wie ihre Arbeitslast reduziert werden könnte. Wichtig ist hierbei, auch das Team im Blick zu behalten, das gegebenenfalls mit Mehrarbeit konfrontiert ist.
  • Überforderung der Mitarbeitenden sollte vermieden werden.
  • Beurteilungen nach bestimmten Bewertungssystemen sollten der Fairness halber unterbrochen werden.
  • Falls Homeoffice möglich ist, könnte diese Arbeitsform der trauernden Person entgegenkommen.
  • Die Arbeit an potenziell gefährlichen Maschinen sollte vermieden werden.

Wenn die Trauer länger dauert, als dies «gefühlt» der Fall sein dürfte, und das Verständnis für die Ausnahmesituation im Team schwindet, sei es an der Zeit, klärende Gespräche zu führen und mit dem Team gemeinsam zu beraten, wie weiter mit der Aufgabenverteilung zu verfahren ist. Sutor empfiehlt, mit länger trauernden Menschen im Gespräch zu bleiben und sich immer wieder zu erkundigen, ob sie Unterstützung brauchen könnten, ihnen kleine  Aufmerksamkeiten wie Grusskarten oder Blumen zuzusenden oder vielleicht auch Besuche von Arbeitskollegen im privaten Rahmen anzuregen, wenn dies gewünscht ist. Solche Besuche sollten immer mit den Trauernden abgesprochen werden. Aus dem Feedback von Betroffenen habe sie immer wieder erfahren, wie wichtig diese Zeichen der Zuwendung in einer persönlichen Krise sind.

Buchempfehlung

Trauer am Arbeitsplatz:
Sprachlosigkeit überwinden – Fürsorgepflicht wahrnehmen – Trauerkultur entwickeln
Sutor, Petra

Patmos Verlag
1. Auflage 2020
ISBN 978-3-8436-1212-8 (Print)
ISBN 978-3-8436-1257-9 (eBook)

Trauern um ein Sternenkind.
Das Begleitbuch für Familien
Sutor, Petra

Patmos Verlag
1. Auflage 2022
ISBN 978-3843613231

Todesfall eines Teammitglieds

Stirbt jemand aus den eigenen Reihen, ist die Betroffenheit häufig sehr ausgeprägt, denn die meisten Menschen bauen am Arbeitsplatz persönliche Beziehungen auf. Die Kommunikation der Führungskraft steht dann besonders im Fokus. Worte oder Gesten der persönlichen Anteilnahme reflektieren auch eine wertschätzende Unternehmenskultur. Petra Sutor bittet in Seminaren Führungskräfte immer wieder, ihren eigenen Nachruf zu verfassen. Dies sorgt nicht nur für Heiterkeit, sondern regt auch an, darüber nachzudenken, wie man selbst als Mensch wahrgenommen werden möchte: nur mit formelhaften Formulierungen oder mit echten Eigenschaften, die
anderen in Erinnerung bleiben?

Eine schriftliche Information über den Tod eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin sollte folgende Punkte enthalten:

  • Name des verstorbenen Mitarbeiters,
  • Teamzugehörigkeit,
  • Wann ist die- oder derjenige verstorben?
  • Ausdruck des eigenen Mitgefühls in persönlichen Worten,
  • Gibt es eine Abschiedsfeier im Unternehmen oder die Möglichkeit, an der Beerdigung teilzunehmen? Gibt es ggf. andere Wünsche der Familie an die Belegschaft, beispielsweise Spenden an caritative Organisationen?

Der engste Kollegenkreis der verstorbenen Person, ihr Team, sollte direkt persönlich durch die Führungskraft informiert werden. Diese sollte sich auch bereithalten, weitere Einzelgespräche zu führen. Ein Rückzugsort, der von aussen nicht einsehbar ist, sei hierfür am besten geeignet. Wenn sich Führungskräfte nicht in der Lage sehen, diese Gespräche zu führen, sollten sie sich Unterstützung von aussen beiziehen, um diesen wichtigen Austausch zu gewährleisten.

Gemeinsame Trauer

Ein Kondolenzbuch oder eine Erinnerungsbox, die von den Arbeitskollegen zusammengestellt werden kann, sind schöne Zeichen der Anteilnahme des Arbeitskollegiums gegenüber den Hinterbliebenen. Petra Sutor hat als Trauerbegleiterin gute Erfahrungen mit internen Gedenkveranstaltungen gemacht, die sie «Lebensfeiern» nennt. Für diese Veranstaltungen seien nicht immer alle Mitarbeitenden gleichermassen offen, aber im Allgemeinen seien dies eher schöne und positive Erlebnisse, die vom Team geplant werden.

Der Arbeitsplatz eines verstorbenen Teammitglieds kann auch als Ort des Gedenkens dienen. Man kann dort ein Foto und Blumen aufstellen und Gegenstände, die in Verbindung mit der verstorbenen Person stehen, hinterlegen. Wie und wann dieser Platz dann wieder freigegeben wird, muss im Gespräch mit dem Team geklärt werden.

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