«Wir reden von Gestaltungsmöglichkeiten – nicht von Lücken»

Donnerstag, 24. Juli 2025
Um die Migros-Mitarbeitenden für Optimierungschancen ihrer Vorsorge zu ­sensibilisieren, verstärkt der Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) die Zusammenarbeit der Migros-Pensionskasse (MPK) mit der internen HR-Kommunikation. Ein Gespräch mit der ­Leiterin interne Kommunikation Emma Ayubi, die als MPK-Stiftungsrätin mit Philipp Küng, Leiter Versicherungen der MPK, die «Initiative Mitarbeitende 50+» mitgestaltet.

Bei der Migros arbeiten sehr viele Mitarbeitende in Teilzeit. Eine Ursache für Vorsorgelücken sind bekanntlich Teilzeitpensen. Wie gehen Sie mit dem Risiko unzureichender Vorsorge um?

Emma Ayubi: Als verantwortungsvolle Arbeitgeberin bieten wir zunächst einmal gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Wichtig ist uns auch eine gut ausgebaute berufliche Vorsorge, die bei der Migros eine lange Tradition hat und sehr arbeitnehmerfreundlich ausgestaltet ist. Im 22-köpfigen Stiftungsrat der MPK, dem ich seit letztem Herbst angehöre, hat die Arbeitnehmerseite eine Mehrheit. Die Mitarbeitenden profitieren seit langer Zeit von überdurchschnittlichen Leistungen, die deutlich über dem gesetzlichen Minimum liegen. Dies ist insbesondere für Teilzeitmitarbeitende relevant. Denn bei der MPK gibt es keinen fixen Koordinationsabzug wie im BVG vorgeschrieben, sondern einen Abzug von 30% des anrechenbaren Lohns. Wichtige Massnahmen zielen aber auch darauf ab, dass die Mitarbeitenden möglichst lange im Arbeitsprozess verbleiben. Überhaupt fokussieren wir weniger auf Lücken, sondern vielmehr auf die Chancen, wie unsere Mitarbeitenden bei der MPK ihre Vorsorgedeckung optimieren können. Aber da fische ich bereits in den Gewässern von Philipp, der bei der MPK die Versicherung leitet.

Philipp Küng: Alles gut, du bist als Stiftungsrätin der MPK ja quasi meine Chefin. Insofern fischen wir da gemeinsam und ergänzen uns dabei ja auch sehr gut, weshalb ich den Ball gerne aufnehme. Wenn von Vorsorgelücken gesprochen wird, habe ich ebenfalls ein leichtes Unbehagen. Die berufliche Vorsorge ist ein Bestandteil des Arbeitsverhältnisses, und die Vorsorgesituation ist das Ergebnis der bisherigen Erwerbstätigkeit. Ob im Alter genügend Geld vorhanden ist oder ob eine Vorsorgelücke besteht, hängt hauptsächlich davon ab, welches Einkommen während des Erwerbslebens erzielt wurde. Deshalb sprechen wir in der MPK nicht von Lücken, sondern explizit von Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn man vor der Pensionierung sieht, dass es nicht reicht, kann man allenfalls auch ein bisschen länger arbeiten als ursprünglich geplant. 2024 lag das durchschnittliche Pensionierungsalter bei der MPK bei 62.4 Jahren.

Was entgegnen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf niedrigem Lohnniveau in Teilzeit arbeiten, um beispielsweise Kinder grosszuziehen oder um sich um Angehörige zu kümmern, und deren Gestaltungsspielräume entsprechend überschaubar sind?

Küng: Als Pensionskasse haben wir wenig Einfluss auf die individuelle Arbeitssituation der Versicherten. Die MPK ist jedoch eine gut ausgebaute Pensionskasse, die den Mitarbeitenden viele Möglichkeiten bietet, ihren Bedürfnissen entsprechend die Vorsorgesituation zu verbessern. Wir versuchen diese Angebote so gut wie möglich abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse der sehr heterogenen Belegschaft weiterzuentwickeln und entsprechend zu kommunizieren.

Von den Blue-Collar-Mitarbeitenden in den Supermärkten und den Industriebetrieben bis hin zu den ­White-Collar-Angestellten in den Büros der Genossenschaften mit all ihren Tochterunternehmen versichert die MPK unterschiedlichste Berufs- und Lohnprofile. Wie werden Sie diesen heterogenen Ansprüchen gerecht?

Ayubi: Für die Mitarbeitenden aller Funktionsstufen gilt der gleiche Vorsorgeplan der MPK: Die Migros-Unternehmen zahlen zwei Drittel der PK-Beiträge und die Arbeitnehmenden einen Drittel. Für alle Mitarbeitenden bieten wir die Möglichkeit einer Pensionierung in Teilschritten. Auch die Weiterarbeit über das Referenzalter hinaus kann helfen, die Vorsorgesituation zu verbessern. Dank vieler Gestaltungsmöglichkeiten kann die Altersvorsorge den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Küng: Man kann sich im Alter zwischen 58 und 70 flexibel pensionieren lassen. Das nimmt auf die spezifischen Bedürfnisse der wirklich sehr heterogenen Belegschaften Rücksicht. Weitere Angebote, um die Vorsorgesituation individuell zu verbessern, sind beispielsweise die freie Sparplanwahl, Einkaufsmöglichkeiten in Altersguthaben oder in ein Zusatzkonto für eine vorzeitige Pensionierung.

Zur Pers

Emma Ayubi
ist als Leiterin interne Kommunikation beim Migros-Genossenschafts-
Bund (MGB) für die gesamte HR-Kommunikation verantwortlich, was auch die Migros-Pensionskasse (MPK) umfasst, wo sie als Vertreterin der Arbeitnehmendenseite im 22-köpfigen Stiftungsrat Einsitz hat.

Philipp Küng
leitet den Bereich Versicherung bei der Migros-Pensionskasse. Dort sorgen Vorsorgeberaterinnen und Vorsorgeberater sowie IV-Fachspezialistinnen dafür, dass die Mitarbeitenden richtig versichert und gut beraten sind.

Mit der Sparplanwahl können alle Mitarbeitenden mehr in die Pensionskasse einzahlen, wenn sie das können und möchten. Dabei geht es ja nicht um astronomische Summen, wenn ich statt 8.5% vielleicht 10.5% einzahle. Macht man das über Jahre, rechnet es sich aber schon. Über unsere App myMPK kann man rund um die Uhr Simulationsberechnungen machen und sofort sehen, was der Effekt von solchen Massnahmen ist.

Sie haben die «Initiative Mitarbeitende 50+» lanciert. Was muss man sich darunter vor­stellen?

Ayubi: Diese Initiative wurde vom HR lanciert und umfasst einen Grossteil der Migros-Unternehmen. Diese haben sich in dieser Initiative zusammengeschlossen und geschaut, was die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sind und wie wir denen auch gerecht werden können. Da ist Philipp als Vertreter der MPK dabei, während ich die Sicht der Kommunikation einbringe. Mit der Initiative möchten wir die Mitarbeitenden 50+ auffordern, sich bewusst mit der Gestaltung der verbleibenden ­Berufsjahre auseinanderzusetzen, und fördern den Dialog zwischen ihnen und ihren Führungskräften. Die MPK bietet ganz konkret die Möglichkeit einer Weiterversicherung des versicherten Lohns bei einer allfälligen Lohnreduktion ab Alter 58. Für Führungskräfte bieten wir Bogenkarriere-Modelle, wo Personalverantwortung zugunsten von Engagements in Beratungs- und Projektpools abgegeben werden kann. Ausserdem unterstützt die Migros auch Job- und Top-Sharing-­Modelle, die wir zwecks Know-how-Transfer auch in generationsübergreifenden Tandems fördern. Für diejenigen, die gegen das Ende ihrer Karriere nicht mehr so viel arbeiten wollen oder aus physischen Gründen nicht mehr arbeiten können, ist ab 58 eine Teilpensionierung möglich. Diejenigen hingegen, die über das gesetzliche Rentenalter von 65 hinaus arbeiten wollen, können sehr gerne mit Einverständnis der Arbeitgeberin bis 70 bei uns tätig bleiben – auch in kleinen Teilzeitpensen.

Können Sie die Nachfrage nach 65+-Arbeitsmodellen quantifizieren?

Ayubi: Rein von der Anzahl Personen her ist die Nachfrage noch überschaubar. Interessanterweise kommt diese aber aus ganz verschiedenen Bereichen – und die Tendenz ist steigend. 2023 waren es 746 Mitarbeitende aus dem Segment 65+, was 0.86% der Belegschaft entsprach. 2024 waren es bereits 947 Mitarbeitende, womit der Anteil an der Gesamtbelegschaft bereits 1.09% entsprach. Von diesen waren rund die Hälfte Frauen, von denen 96% in Teilzeit arbeiten. Unsere HR-Businesspartner, die im direkten Kontakt mit den Mitarbeitenden sind, wissen Bescheid, wie das Angebot finanziell und rechtlich aussieht, aber das Interesse muss vom Mitarbeitenden oder von seiner Führungskraft kommen. Das bewerben wir nicht aktiv, sind aber offen und dankbar für alle Interessierten.

Küng: Aus meiner Sicht könnte sich da langfristig ein Trendwechsel abzeichnen. Früher war es ja das höchste der Gefühle, möglichst früh in Pension zu gehen. Die vorzeitige Pensionierung wurde als tolle Sache gesehen. Heute plädieren wir für ein flexibles Rentenalter, welches für die Betroffenen stimmig ist. Wenn jemand den Migros-Laden kennt und nach 65 noch ein bisschen arbeiten kommt, kann das für alle Seiten eine Win-win-Situation sein. Entscheidend ist, dass die Mitarbeitenden alle Möglichkeiten und Vorteile kennen, welche ihre Arbeitgeberin und ihre Pensionskasse bieten.

Was bietet die Migros sonst noch, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen?

Ayubi: Eine ganze Reihe. Besonders hervorzuheben ist sicher unser 18-wöchiger Elternurlaub, der über die obligatorischen 14 Wochen Mutterschaftsurlaub hinausgeht. Die vier überobligatorischen Wochen können auf die andere Person in der Partnerschaft übertragen werden. Das Lebensmodell ist dabei nicht entscheidend. Wenn diese Person nachweisen kann, dass sie in dieser Zeit nicht arbeitstätig ist, bezahlt die Migros den entsprechenden Lohn. Einige Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitenden Zulagen für die Kinderbetreuung, während andere unserer Unternehmen eigene Kindertagesstätten anbieten. Weiter fördert die Migros die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben mittels flexibler Arbeitszeitmodelle sowie unterschiedliche Möglichkeiten des Ferienbezugs. Zudem haben wir eine Kapitalzahlung im Todesfall. Das ist eine Art Lebensversicherung für die Migros-Mitarbeitenden, die zu 100% vom Arbeitgeber bezahlt wird und weit über den sogenannten Lohnnachgenuss gemäss Obligationenrecht hinausgeht. Die Migros bezahlt 100% des Jahresbruttolohns an die hinterbliebene Partnerin / den hinterbliebenen Partner und pro Kind 50% des Bruttolohns dazu. Unsere Krankentaggeldversicherung bietet eine Absicherung von zwei Jahren. Wenn bis dann ein Entscheid der IV vorliegt, kann im Falle einer Invalidität nahtlos auch eine Pensionskassenrente anschliessen.

Wie werden die Angebote der Migros-Pensionskasse bekannt gemacht?

Küng: Wir bieten Informationen über die Website
mpk.ch und das App-basierte Versichertenportal myMPK. Zudem werden wir eine Kurzvideo-Serie zu den wichtigsten PK-Themen aufschalten. Dazu kommen ein Angebot zur Vorsorgeberatung, die Teilnahme an Informationsveranstaltungen und Pensionierungsseminaren sowie diverse Sensibilisierungsmassnahmen durch die interne Kommunikation.

Ayubi: Dazu gehören regelmässige Updates zur MPK mit Verweis auf weitere Informationen auf sämtlichen crossmedial orchestrierten Kommunikationskanälen. Von den Landingpages auf der Website und im Intranet über Print-Broschüren für Mitarbeitende und Führungskräfte bis hin zu Erklärvideos in einfacher Sprache. Daneben organisieren wir spezifische Trainings für HR-Mitarbeitende, Führungskräfte und Mitarbeitende. Mit dem 50. Lebensjahr erhalten alle Mitarbeitenden eine Einladung zu einer obligatorischen Info-Veranstaltung und Zugang zu umfangreichem Informationsmaterial. Ebenso veranstalten wir nächstes Jahr wieder einen Frauentag zum Thema Altersvorsorge, was in den Vorjahren bereits auf überwältigendes Interesse stiess.

Welche Bedeutung hat HR für die Arbeit der Pensionskasse?

Küng: Das HR ist einerseits unser Geschäftspartner seitens Administration und Payroll. Dort geht es ums Eingemachte, um Zahlen, Fakten, Daten. Kurz darum, dass die Leute richtig versichert sind und die richtigen Beiträge geliefert werden. Dort sind wir sehr darauf angewiesen, dass das alles gut läuft und sauber funktioniert. Andererseits haben wir eine wichtige Schnittstelle zu den HR-Businesspartnern, die das Personal quasi von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Auf diesem Weg ­können bekanntlich diverse pensionskassenrelevante Themen auftauchen, z.B. wenn es um eine Trennung oder eine Pensionierung geht. Zudem sind die HR-Businesspartner in den einzelnen Unternehmen auch unser Sprachrohr und unser Botschafter. Umso besser, dass wir jetzt mit Emma Ayubi und ihrem Team kommunikativ gut beraten und begleitet werden, was wir unbedingt auch nutzen wollen. Man muss als Pensionskasse eine gute Arbeit machen, das ist klar. Aber wenn das niemand weiss oder niemand versteht, nützt es nicht viel. Darum ist es für uns extrem wichtig, dass auch die HR-Businesspartner möglichst gut über Pensionskassenthemen informiert sind. Denn HR hat ja einen direkten Kontakt mit unseren Versicherten. Entweder können sie selbständig einfache Fragen beantworten oder einen Kontakt zu uns her­stellen.

Als grösste private Arbeitgeberin der Schweiz verfügt die Migros über viele Ressourcen, um attraktive Vorsorgelösungen zu realisieren. Welche Prinzipien können KMU ableiten?

Ayubi: Im Prinzip ist das keine Frage der Unternehmensgrösse, sondern eine Frage der Personalpolitik: Will man sich faire Arbeitsbedingungen leisten? Will man sich als Arbeitgeberin attraktive Vorsorgelösungen leisten? Und will man sich namentlich eine überobligatorische Pensionskassenregelung leisten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, wo der Stiftungsrat auch wirklich Gestaltungsmöglichkeiten hat und nicht bloss die gesetzlichen Mindestvorschriften umsetzen muss? Bei der Beantwortung dieser Fragen sollte einem bewusst sein, dass man mit attraktiven Lösungen nicht nur ein vermeintliches Geschenk an die Mitarbeitenden macht, sondern eine ­Investition in die
wichtigste Ressource eines Unternehmens vornimmt: in die Mitarbeitenden.

Küng: Einverstanden, das hat nichts mit der Grösse eines Unternehmens zu tun. Zentral ist die Entscheidung der Arbeitgeberin, überobligatorische Elemente in das Vorsorgekonzept zu integrieren. Sonst gibt es keinerlei Spielräume. Der Stiftungsrat verabschiedet das Vorsorgereglement und den Vorsorgeplan und kann beispielsweise die Abschaffung des gesetzlichen Koordinationsabzugs beschliessen und stattdessen eine prozentuale Lösung einführen. Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte können sich im Prinzip nur dann kreativ einbringen, wenn man einen überobligatorischen Teil hat. Je grösser dieser Teil ist, desto mehr Gestaltungsspielraum hat man als Stiftungsrat.

Take Aways

  • Bei der Migros arbeiten HR, Kommunikation und Pensionskasse (MPK) Hand in Hand, um die Belegschaft mit konkreten Angeboten für eine stabile Altersvorsorge zu sensibilisieren.
  • Mit der «Initiative Mitarbeitende 50+» entwickelt HR verschiedene Angebote wie Bogenkarriere-Modelle, Job- und Top-Sharing-Modelle oder Teilpensionierung ab 58.
  • Vorsorge-Elemente, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, sind zentral. So gibt es bei der MPK keinen fixen Koordinations­abzug, sondern einen Abzug von 30% des anrechenbaren Lohns.
  • Die Nachfrage nach 65+-Arbeitsmodellen ist tendenziell steigend. Rund die Hälfte sind Frauen, von denen 96% in Teilzeit arbeiten.

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