Während Frauen und Männer in Nicht-Kaderpositionen in der Schweiz noch fast gleich stark vertreten sind, wandelt sich das Bild bei der ersten Beförderung schlagartig. Hier werden Frauen systematisch weniger stark berücksichtigt, obwohl sie mindestens gleich gut qualifiziert sind wie Männer. Dies geht aus dem Gender Intelligence Report 2025 hervor, der von dem auf Gleichstellung spezialisierten Wirtschaftsverband Advance und der Universität St. Gallen erarbeitet wurde.
Deutliche Unterschiede zwischen den Branchen
Zwischen den einzelnen Branchen zeigen sich aber grosse Unterschiede. Konkret werden laut der Studie Frauen in sechs von neun untersuchten Branchen «deutlich seltener befördert als ihr Anteil an der Belegschaft erwarten liesse.» Am stärksten ausgeprägt ist die Diskrepanz im öffentlichen Sektor (17 Prozentpunkte), der Beratung (15 Prozentpunkte) und im Bankensektor (11 Prozentpunkte).
Im öffentlichen Sektor ist die Diskrepanz laut Ines Hartmann, Direktorin des Competence Centers für Diversity, Disability, and Inclusion (CCDI) an der Universität St. Gallen, vor allem bei der Beförderung in die unteren Kaderstufen ein Problem. Auf höheren Stufen sei der Frauenanteil an den Beförderungen etwas höher. Zudem würden häufiger externe Personen auf Kaderstellen rekrutiert und nicht von der unteren Ebene befördert.
Aber auch im Bereich Gesundheit, wo traditionell viele Frauen arbeiten, sind Frauen mit 9 Prozentpunkten im Kader klar unterrepräsentiert. Benachteiligt würden hier nicht nur Krankenschwestern, sondern auch «viele Ärztinnen blieben auf der Strecke», ordnete Hartmann weiter ein.
Pharma und Tech-Industrie ausgeglichen
Ausgeglichen ist das Verhältnis dagegen im Bereich Pharma und Medizintechnik, wie auch in der Tech-Industrie. Laut Hartmann gewichtet die Pharma-Branche das Thema Gleichstellung schon lange hoch. Zudem helfe die starke internationale Ausrichtung der Firmen.
Etwas anders sei der Fall der Tech-Industrie gelagert, wo nur vergleichsweise wenige Frauen arbeiten. Hier würden Unternehmen auf die wenigen Frauen «achten und sie bewusst befördern». Zudem seien Frauen etwa in Tech-Firmen häufiger in Bereichen wie Finanzen oder dem HR tätig und können dort auch aufsteigen, selbst wenn sie keinen technischen Beruf ausüben.
Im Sektor «ICT und Media» sind Frauen mit 15 Prozentpunkten sogar klar überrepräsentiert. Jedoch war die Basis der untersuchten Firmen hier nur vergleichsweise klein. Einige Ausreisser hätten hier das Bild verzerrt. So bestünden gerade die unteren Kaderstufen oft nur aus wenigen Personen und eine Beförderung habe daher schon einen grossen Einfluss auf das Ergebnis.
Teilzeit oft ein entscheidender Faktor
Besonders häufig werden Personen bei Beförderungen übergangen, die in Teilzeit arbeiten. Gemäss der Studie liegt die Schwelle bei einem Pensum von 80%. Darunter finden fast keine Beförderungen mehr statt. Teilzeit sei laut Hartmann eines der grossen Hindernisse. Da Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, seien sie entsprechend auch stärker betroffen.
Ebenso ist Teilzeit gerade auch im öffentlichen Sektor oder dem Gesundheitswesen stärker verbreitet. Dagegen würden Personen in der Pharmabranche häufiger in Vollzeit arbeiten, was auch einen Teil der Unterschiede erkläre.
Arbeitnehmende stufen Gleichstellung hoch ein
Bei einer Befragung unter berufstätigen Personen gaben 61% an, dass sie die Faktoren Chancengleichheit, Inklusion und Diversität als sehr wichtig einschätzen. Jedoch glaubt nur knapp ein Viertel, dass auch ihr Arbeitgeber diese Punkte hoch gewichtet. «Hier klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität», sagte Hartmann weiter.
Ferner gaben 27% an, dass sie bereit wären zu einem Arbeitgeber mit höheren Gleichstellungsstandards zu wechseln. Hochgerechnet auf die ganze Schweiz kommen die Studienautoren damit auf Fluktuationskosten von 5 Mrd. Franken.