Navigieren im Wandel

Mittwoch, 28. Mai 2025 - Karen Heidl
Wie sich Learning & Development mit KI neu ausrichten.

Christoph Meier

Dr. Christoph Meier leitet das Swiss Competence Center for Innovations in Learning (SCIL) an der Universität St. Gallen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind digitale Technologien und Bildungsmanagement. Er unterstützt L&D-Organisationen bei der Navigation der digitalen Transformation. scil.unisg.ch

Künstliche Intelligenz wird zur treibenden Kraft in der Arbeitswelt. Dr. Christoph Meier, Leiter des Swiss Competence Center for Innovations in ­Learning (SCIL) an der Universität St. Gallen, präsentierte auf der Learntec 2025 das Modell eines praxisnahen «Transformations-Navigators». Dieser führt HR- und L&D-Verantwortliche durch konzeptionelle Überlegungen darüber, wie sie ihre Strategie und ihre Rolle im Unternehmen mit generativer KI strategisch weiterentwickeln können.

Ein strategischer Kompass für die Transformation

«Bevor man über eine Strategie spricht, sollte man sich das Ziel klar vor Augen führen», sagte Christoph Meier einleitend. Der Transformations-Navigator ist ein Modell, das Organisationen dabei hilft, fundiert auf technologische Umbrüche zu reagieren. Der Navigator umfasst fünf zentrale Felder:

  • Veränderungen verstehen: Was verändert sich, welche Chancen und Risiken gibt es?
  • Zielbild definieren: Wo wollen wir hin?
  • Strategien wählen: Was ist unser Weg?
  • Massnahmen gestalten: Wie gehen wir das an?
  • Fortschritt überprüfen: Wie beobachten und steuern wir?

Veränderungen durch GenAI

Laut Stanford AI Index 2024 steigen Leistung und Verbreitung generativer KI rasant. Gleichzeitig sinken die Kosten für deren Einsatz. Die Folgen für die Arbeitswelt sind tiefgreifend.

Diverse Studien prognostizieren: Der menschliche Anteil an der Arbeitsleistung wird deutlich sinken. Gleichzeitig steigen durch KI-Assistenzsysteme Tempo und Qualität der Arbeitsergebnisse. Die Studie «The cybernetic teammate» von Dell’Acqua et al. (2025) kommt zu dem Schluss, dass Einzelpersonen mit KI ähnliche Resultate erzielen wie zuvor interdisziplinäre Teams.

Zugleich können Mitarbeitende mit KI-Unterstützung Aufgaben bewältigen, die eigentlich ausserhalb ihrer Kernkompetenzen liegen. «Wir haben in den Studien gesehen, dass sich die Nachfrage nach Arbeitskräften verändern und es dabei zu Verschiebungen zwischen verschiedenen Funktionsbereichen kommen wird», so Christoph Meier.

Zielbild klären: Rolle von Learning & Development (L&D) neu denken

Wie positioniert sich L&D im Unternehmen der Zukunft? Da gebe es grundsätzlich zwei Richtungen, so Christoph Meier: als Transformationstreiber, der unternehmensweite KI-Transformation aktiv unterstütze, oder als Effizienzpartner, der interne Bildungsleistungen über Qualität, Zeit sowie Kosten optimiere. Beide Perspektiven seien kombinierbar, im ersten Schritt gehe es jedoch um die Entwicklung einer klaren Vorgehensweise.

Strategie entwickeln

Dafür empfiehlt Christoph Meier klassische Marktfeldstrategien: bestehende Zielgruppen stärker bedienen, neue Formate entwickeln oder Prozesse verbessern. Besonders Letztgenanntes hält er für naheliegend – vor allem mit Blick auf die internen L&D-Prozesse: von der Bedarfsanalyse über die Konzeption und Entwicklung bis hin zu Durchführung und Evaluation.

Massnahmen: Prozesse und Plattformen neu denken

In jedem dieser Prozessschritte bieten generative KI-Werkzeuge grosses Potenzial:

  • Analyse: Erstellen von Umfragen, Analyse von Bedarfsanforderungen und Ursachen
  • Konzeption: didaktische Vorschläge, Zielgruppenspezifizierung
  • Content-Erstellung: automatische Generierung von Lernressourcen in diversen Gefässen
  • Implementierung: individuelle Lernpfade über LXP
  • Evaluation: automatische Auswertung, Feedback sowie Visualisierung

Tools wie ChatGPT, Claude oder Custom GPTs unterstützen dabei zunehmend auch mit dialogischem Feedback. «Ich muss als L&D-Verantwortlicher diese Werkzeuge kennen, muss wissen, für welche Aufgaben ich sie einsetzen kann, welche es überhaupt gibt und wie ich sie gezielt anwenden kann», sagte Meier. Zusätzlich empfiehlt er eine Plattformstrategie. Verschiedene Systeme – von klassischen HR-Plattformen (SAP SuccessFactors) bis zu Autorenwerkzeugen (Synthesia, EasyGenerator) und spezialisierten Learning-Management-Systeme (LMS) – integrieren zunehmend KI-Funktionalität. Doch die Vielfalt sei unübersichtlich: «Es braucht Bewertungsraster, um Datenschutz, Ergebnisqualität und Nutzungskosten im Blick zu behalten.»

Studientipp: Generative KI in der Wissensarbeit – was jetzt auf L&D zukommt

Eine aktuelle Studie des SCIL beleuchtet, wie sich Anforderungen an Kompetenzentwicklung und L&D durch GenAI konkret verändern. Dabei werden fünf Handlungsfelder identifiziert – von Rollenveränderung bis zur Entwicklung neuer Leistungsversprechen. Die Studie bietet Impulse für eine systematische Auseinandersetzung mit GenAI im HR-Kontext.

Individualisierung: Lernen neu gestalten

Meier sieht in virtuellen Tutoren – etwa über Custom GPTs – enormes Potenzial. Sie könnten Coaching- und ­Tutoringprozesse personalisieren und verstärkt skalieren.

Auch spezialisierte Large Language Models (LLM) wie «Claude for Education» zeigten erste Lösungen, und zwar durch sokratische Dialoge, die nicht nur Antworten lieferten, sondern auch Denkprozesse zur eigenen Lösungs­findung anstiessen.

Steuerung: Veränderung messbar machen

Der Erfolg von Transformation sollte sich in Kennzahlen ausdrücken lassen, die etwa über Pulsmessungen – z.B. über KI-unterstützte Skill-Checks zu GenAI-Kompetenzen – oder OKR, also die Operationalisierung strategischer Ziele in messbaren Key Results, gewonnen werden. Das Ziel «GenAI-Kompetenzen stärken» beispielsweise könnte konkret durch das Ergebnis «Kompetenzmodell entwickelt, kommuniziert und angewendet» ausgedrückt werden. «Nur wenn wir wissen, wo wir stehen, können wir gezielt nachsteuern», betonte Meier.

Take Aways

  • Veränderungen ernst nehmen: KI wird Arbeits- und Lernprozesse grundlegend verändern.
  • Ziele vor Strategien: Erst sollte geklärt werden, was L&D leisten soll – dann sind geeignete Wege zu wählen.
  • Infrastruktur mitdenken: Plattform- und Toolwahl sollten strategisch geplant werden, d.h. es sollte auf die konkreten Unternehmensziele eingezahlt werden.
  • Kompetenzentwicklung erweitern: Haltung, Metakognition und Transfer-Kompetenzen sollten stärker fokussiert werden.
  • Steuerung einbauen: Fortschrittsmessung anhand von Kennzahlen unterstützt den Wirkungsnachweis von L&D-Strategien.

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