Erfolgsfaktor Team

Donnerstag, 30. November 2023 - Gregor Gubser
Die Mitarbeitenden der RhB verstehen sich als Familie. Da ist es HR-Beraterin ­Astrid Schmid ein Anliegen, auch für Angestellte mit gesundheitlichen Problemen eine gute Lösung zu finden. Dabei greift sie gern auf die Unterstützung der IV-Stelle zurück.

Zur Person

Astrid Schmid ist HR-Beraterin und Case Managerin in der Abteilung HR-Beratung & Support der Rhätischen Bahn AG.

Die RhB

Die Rhätische Bahn AG (RhB) beschäftigt rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und befördert jährlich 13 Millionen Fahrgäste durch Grau­bünden (rhb.ch).

Frau Schmid, können Sie mir ein konkretes Beispiel einer Eingliederung der RhB nennen?

Astrid Schmid: Ja, zum Beispiel einen Fall, den ich vor rund eineinhalb Jahren in einer etwas späteren Phase als Case Managerin übernommen habe. Es war ein Rangiermitarbeiter, dem die Schichtarbeit gesundheitlich zu schaffen machte. Das führte zu Angstzuständen, Schlafstörungen und familiären Problemen. Rasch wurde die IV eingeschaltet und in verschiedenen Gesprächen mit dem Vorgesetzten, dem Mitarbeiter, dem HR und der IV eine Lösung gesucht. Gemeinsam fanden wir schliesslich eine Anschlusslösung in einem anderen Bereich, wo der Mitarbeiter keinen Schichtdienst mehr zu leisten hatte. Zunächst wurde er dort befristet beschäftigt, um zu testen, wie es läuft. Es zeigte sich, dass die Lösung funktioniert, und so konnten wir den Mitarbeiter wieder unbefristet anstellen.

Das klingt schon fast zu reibungslos, um wahr zu sein. Welche Massnahmen wurden während der Eingliederung getroffen?

Wir standen in regelmässigem Austausch mit der IV. Zudem wurde eine Zielvereinbarung zwischen der RhB, der IV und dem Mitarbeiter getroffen. Darin wurden die Erwartungen an den Mitarbeiter klargestellt, so wusste er, woran der Erfolg gemessen wird. Ziel der Massnahme war das Erreichen einer stabilen Arbeitsfähigkeit zu der sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Arbeitszeit gehören. Zu Beginn der Eingliederung 

lag die Präsenzzeit bei 60%, die in 10%-Schritten gesteigert wurde und am Ende der Eingliederungsmassnahmen wieder 100% erreichte. Eine Steigerung in kleinen Schritten ist erfolgversprechender, da so Rückfälle eher vermieden werden können. Mit im Boot ist auch immer unser Vertrauensarzt, der ohnehin die Arbeitsfähigkeit von verunfallten oder erkrankten Mitarbeitenden im sicherheitsrelevanten Bereich beurteilen und bestätigen muss. Dazu gehören insbesondere Lokführer, aber auch viele andere Jobprofile bei der RhB.

Was war entscheidend für den Erfolg der Eingliederung?

In diesem Fall waren die Rahmenbedingungen entscheidend. Der betroffene Mitarbeiter konnte in einen anderen Aufgabenbereich wechseln, in dem er keine belastende Schichtarbeit mehr hatte, die ja der Auslöser für die gesundheitlichen Probleme war. Ein weiterer Erfolgsfaktor war die Zusammenarbeit mit der IV. Wir arbeiten sehr gut zusammen mit allen verschiedenen IV-Beratern in den unterschiedlichen Regionen. Auch die gute Integration im Team hat geholfen. Da es kein komplett neues Umfeld war, konnte er sich rasch im Team eingliedern. Er hatte schon zuvor mit diesen Kollegen zu tun. Wenn man sich im Team wohl fühlt, ist das ein sehr grosser Erfolgsfaktor.

Welches waren die grössten Schwierigkeiten?

Die grösste Herausforderung für uns ist immer, intern eine geeignete neue Stelle zu finden. Wir haben keine separate Abteilung extra für Mitarbeitende mit körperlichen Problemen. Man kann aber mit entsprechenden Ausbildungen oder Umschulungen darauf hinarbeiten, dass sich jemand in einer anderen Abteilung wieder produktiv einbringen kann. Natürlich gibt es auf einem Eingliederungsweg und in der gesundheitlichen Entwicklung auch mal Rückschläge. Aber grosse Hürden gab es nicht zu überwinden.

Mussten Sie zur Zusammenarbeit mit der IV überzeugt werden?

Nein, die Zusammenarbeit der RhB mit der IV funktioniert dank einem regelmässigen und persönlichen Austausch seit vielen Jahren sehr gut. Letztlich sind beide Organisationen darauf angewiesen, dass gute Lösungen für die Betroffenen gefunden werden können. Früher hatten wir verschiedene Geschäftsbereiche und HR-Verantwortliche. Das wurde zentralisiert, nun bin ich die Ansprechperson für die IV. Das ist ein Geben und Nehmen zwischen IV und RhB. Auch umgekehrt – wenn die IV eine Person hat, die einen Einstieg im ersten Arbeitsmarkt sucht, bieten wir gerne Hand.

Welchen Einfluss haben finanzielle Anreize?

Aus Sicht der RhB steht die Gesundheit der Mitarbeitenden im Vordergrund. Bei längerer Abwesenheit durch Krankheit oder Unfall ist es uns wichtig, dass die Mitarbeitenden rasch wieder im angestammten Job oder in einer neuen Tätigkeit arbeiten können. Bei dieser Integration unterstützt die IV im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Finanzielle Anreize wie Eingliederungszuschüsse haben keinen Einfluss auf unsere Eingliederungsbereitschaft. Bei uns ist speziell, dass wir keine Krankentaggeld-Versicherung haben. Wir finanzieren Krankheitsausfälle nach einer grosszügigen Regelung aus eigener Kraft: Im ersten Jahr bezahlen wir immer 100, im zweiten Jahr 80% des Lohns.

Wie haben die anderen Mitarbeitenden auf die Eingliederung ­reagiert, wie gut haben sie mitgemacht?

In der Regel unterstützen die Mitarbeitenden die Eingliederungsmassnahmen gut. Das Arbeitsklima ist sehr familiär und es gibt einen starken Zusammenhalt in der Belegschaft. Es liegt allen viel aneinander und man achtet aufeinander.

Wie zufrieden sind alle Beteiligten heute, wie geht es der eingegliederten Person?

Der betroffene Mitarbeiter ist froh, dass wir für ihn eine Tätigkeit gefunden haben, die er gerne macht. Die Arbeit hat ihm schon zuvor gefallen, nur hat ihm der Schichtdienst zugesetzt. Wir freuen uns alle, dass er das Unternehmen nicht verlassen musste. Die Mitarbeitenden sind gern bei der RhB. Schon beim Abschlussgespräch kurz vor Ablauf des auf ein halbes Jahr befristeten Vertrags zusammen mit der IV konnten wir ein positives Bild zeichnen. Er fühlte sich wohl und auch die Rückmeldungen der Vorgesetzten waren sehr gut. Er hat sich gut im Team integriert und erbringt sehr gute Leistungen. Ich habe auch nach einem guten halben Jahr im unbefristeten Anstellungsverhältnis nochmals nachgefragt: alles bestens!

Würden Sie auch anderen Arbeitgebenden empfehlen, Personen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung einzugliedern?

Der Aufwand lohnt sich. Uns ist wichtig, dass die Mitarbeitenden bleiben können. Das hängt natürlich von der Bereitschaft der Mitarbeitenden ab. Insbesondere angesichts des Fachkräftemangels ist das Interesse hoch, gute und erfahrene Leute weiter beschäftigen zu können. Wir haben langjährige Mitarbeitende, die ein gesundheitliches Problem bekommen und die man nicht einfach loswerden will. Sie haben uns über die Jahre auch viel gegeben. Wir sind in der Region als sozialer Arbeitgeber bekannt und bekommen das auch zu hören. Das ist ein schönes Zeugnis für uns.

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