Buch des Monats: Stabil, prekär – und digital

Mittwoch, 30. Juli 2025
Der Caritas-Sozialalmanach 2025 widmet sich der Frage, wie mit Bildung der Armut zu entkommen ist. Die Antworten fallen nüchtern aus. Trotz allgemeiner Stagnation gibt es einige ermutigende Beispiele, die funktionieren.

Die Bildung ist und bleibt die grösste Hürde bei der Überwindung der strukturellen Armut. Caritas-Direktor Peter Lack und Fabian Saner beschreiben im Vorwort den Teufelskreis, den viele Armutsbetroffene erleben. So schildern viele Arme, wie sie schlicht all ihre Zeit der Existenzsicherung widmen müssen. In einer derart prekären Zeitnot haben sie keine Luft, um mit einer Weiterbildung ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Geld für Bildung ist sowieso rar. Und es setzt sich allgemein das Matthäus-Prinzip fort: Wer bereits Titel und Abschlüsse hat, dem wird auch ein guter Job gegeben. Der soziale Aufstieg durch Bildung ist für Bildungsferne besonders schwierig. Allerdings sind Erwerbstätige mitunter auch gefragt, gerade weil sie unqualifiziert sind und folglich wenig kosten. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müsste die Wirtschaft stärker in die Pflicht genommen werden, so lautet eine Empfehlung der Autoren.

Steigender Leistungsdruck

Insgesamt 21 Autorinnen und Autoren haben am Sozialalmanach mitgearbeitet. Der allgemeine Trend ist ernüchternd. In den letzten Jahren ist die Armutsquote sogar angestiegen. Die Lohnungleichheit hat sich verschärft. Die grössten Probleme sind die Wohnungsnot und die steigenden Kosten für Lebenshaltung und Gesundheit. Die Löhne und Renten halten nicht mit den Kostensteigerungen Schritt. Die Krankenkassenprämien bringen zunehmend auch den Mittelstand in Bedrängnis, dies hält Aline Masé in ihrem Kapitel über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung fest. Die Caritas fordert deshalb eine nationale Armutsstrategie, um das Ziel des Bundesrats, die Armut bis 2030 zu halbieren, zu erreichen.

Einige Texte gehen selbstkritisch mit der Zunft der Sozialarbeitenden um. Peter Streckeisen beleuchtet etwa die Schattenseiten des Bildungswettbewerbs und beschreibt, wie sich dort subtile klassenspezifische Diskriminierungen als Sand im Getriebe der Integrationspolitik erweisen.

Jahrbuch zur sozialen Lage

Der Sozialalmanach mit Trends, Analysen und Zahlen zur sozialen Lage der Schweiz erscheint jährlich und wird von Caritas herausgegeben. Das E-Book ist ab 25 Franken im Buchhandel erhältlich oder direkt bei Caritas Schweiz.

ISBN 978-3-85592-201-7

 Letztlich werden auch die Armen unreflektiert am Leistungsethos gemessen – seien es Jugendliche, Rentner, Familien oder Arbeitende. Der Leistungsdruck lastet auf der Klientel, der eigentlich geholfen werden soll.

Gute Beispiele aus Basel

Manuela Specker beschreibt ein Projekt, wo Reinigerinnen sich in einer genossenschaftlichen Kooperative organisieren, um der schlecht bezahlten und unsichtbaren Arbeit ihrer Branche zu entkommen.

Specker betont, wie wichtig die Sichtbarkeit, die Selbstwirksamkeit und das Zugehörigkeitsgefühl auf dem Weg aus der Armut seien. In der Kooperative der «Flexifeen» tauschen sich Reinigerinnen der Region Basel aus und ziehen sich quasi durch Selbstorganisation am eigenen Schopf aus dem Schlamassel. Begleitet werden sie von der Organisation «Crescenda», die Frauen auf dem Weg zum Unternehmertum anleitet.

Offenbar ist die Selbsthilfe ein Schlüssel zu besseren Bildungschancen. Das selbstverwaltete Internetcafé «Planet13» in Kleinbasel wurde 2007 gegründet und ist als Verein organisiert. Finanziert wird es durch Stiftungen, den Kanton sowie private Spenden.

Digitalisierte Armut

Ein Schwerpunkt des Buchs ist die Digitalisierung, die sowohl die Bildungswelt wie die Armut verändert. Kontrovers wird untersucht, inwiefern das Digitale das Spiel in der Wissensgesellschaft verändert. KI schafft neue Herausforderungen – und droht die Kluft zwischen Reichen und Armen noch zu vergrössern.

Doch es gibt kleine Schritte in die richtige Richtung, die Mut machen. Tobias Schär, der Gründer des Vereins «Wir lernen weiter», beschreibt, wie er Laptops an Bedürftige verteilt, damit diese an Arbeit und Bildung teilhaben können. Immerhin verlassen wöchentlich derzeit rund 200 Geräte die Werkstatt, um zu Werkzeugen zu werden, die Betroffenen helfen, der Armut zu entkommen.

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