Der Arbeitgeber kümmert sich – warum internes Case Management wirkt

Mittwoch, 28. Mai 2025 - Gregor Gubser
Das interne Case Management der Personal- und Sozialberatung der ­Bundesverwaltung unterstützt Mitarbeitende bei der Bewältigung komplexer gesundheitlicher und sozialer Herausforderungen. Katrin Stäuble, Leiterin der Personal- und Sozialberatung, erläutert die Vorteile des internen Case Managements und wie durch frühzeitige Intervention Arbeitsausfälle ­reduziert werden können.
Frau Stäuble, was sind die Aufgaben der Personal- und Sozialberatung der Bundesverwaltung?

Die Personal- und Sozialberatung (PSB) ist eine bald hundertjährige interne betriebliche Sozialberatungsstelle. Diese ist für die ganze Bundesverwaltung zuständig und beim Eidgenössischen Personalamt angesiedelt, aber fachlich unabhängig.

Die PSB berät, unterstützt und coacht alle Mitarbeitenden, Vorgesetzten und HR-Fachleute der Bundesverwaltung bei schwierigen Situationen am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld. Im Rahmen des Betrieblichen Case Managements beraten wir auch Führungskräfte und HR-Fachleute in der Früh­erkennung und Frühintervention und übernehmen in komplexen Situationen die Prozessverantwortung im Case Management der Personal- und Sozialberatung (CM PSB).

Die PSB führt zudem die Geschäftsstelle des Unterstützungsfonds für das Bundespersonal und ist das Kompetenzzentrum für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen.

Katrin Stäuble

Leiterin der Personal- und Sozialberatung der Bundesverwaltung (PSB), die zum Eidgenössischen Personalamt gehört. Nebst ihrem Master of Advanced Studies in Nonprofit Management hat sie selber einen sozial­arbeiterischen Hintergrund und arbeitet seit rund 20 Jahren in der PSB.

Was sind die Vorteile des internen Case Managements?

Die PSB ist Teil der Bundesverwaltung und daher vertraut mit der Kultur, der Struktur und der Strategie des Arbeitgebers und gleichzeitig ausserhalb der Hierarchie. Wir sind weder der Linie unterstellt, noch haben wir ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitenden oder den Vorgesetzten. Zudem sendet dies ein Signal an die Mitarbeitenden: Der Arbeitgeber kümmert sich! Die Bundesverwaltung hat keine Krankentaggeldversicherung; der Bund ist somit Eigenversicherer und wendet daher die Lohnfortzahlung an.

Versicherer haben eigene wirtschaftliche Interessen und sind nicht in jeder komplexen Situation zuständig. Familiär bedingte psychische Probleme betreffen die IV zum Beispiel nicht. Auch Krankentaggeldversicherer engagieren sich vor allem dort, wo es für sie wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Arbeitgeber bleibt aber in jedem Fall zuständig. Beim internen Angebot kann er selbst entscheiden, in welchen Situationen die Unterstützung durch ein Case Management Sinn ergibt.

Wie identifizieren Sie die betroffenen Mitarbeitenden, denen Sie ein Case Management anbieten?

Wir suchen nicht nach Fällen und haben auch keinen Zugriff auf Absenzzahlen. Es ist Aufgabe der Vorgesetzten und HR-Fachpersonen, im Rahmen des Absenzenmanagements komplexe Situationen früh zu erkennen. So ist es dann auch die HR-Fachperson, die die PSB mit einer Prüfung beauftragt. Wir haben einen Leitfaden, in dem beschrieben ist, was einen komplexen Fall ausmacht. Nach Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitenden, deren Vorgesetzten und den HR-Fachkräften gibt die PSB eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen ab. Empfiehlt sie, ein CM PSB zu eröffnen, erteilt das zuständige HR in der Regel diesen Auftrag. Die Führungsverantwortung bleibt bei der vorgesetzten Person und das Absenzenmanagement bei der zuständigen HR-Fachperson. Wir übernehmen die Prozessverantwortung.

Das heisst, Sie sind auf die Kooperation aller Beteiligten angewiesen?

Ja, wir organisieren Rundtischgespräche oder führen bilaterale Gespräche. Vielleicht gibt es Probleme und Stolpersteine, die dazu führen, dass die Reintegration schwierig ist oder im Moment nicht stattfinden kann. Diese muss man identifizieren und angehen. Wir klären, worum es geht, und beraten, wie man Anliegen gut einbringen kann. Reintegration geht nur gemeinsam.

Ist die Teilnahme am Case Management freiwillig?

Grundsätzlich ja. Es gibt aber auch eine Mitwirkungspflicht. Bei Verletzung der Mitwirkungspflicht kann der Arbeitgeber allenfalls den Lohn kürzen oder kündigen. In der Regel sind die Mitarbeitenden aber daran interessiert, wieder arbeiten zu können.

Was sind die häufigsten chronischen Krankheiten, die bei Ihnen ein Case Management erfordern?

In den CM PSB sind eindeutig psychische Krankheiten am häufigsten. Bei körperlichen Einschränkungen können die Fähigkeiten relativ einfach abgesteckt werden – zum Beispiel ein bestimmtes Gewicht, das die Person noch ­heben kann –, bei psychischen Erkrankungen ist dies oft kom­plexer.

Wie läuft das Case Management konkret ab?

Es beginnt bei der Prüfung, ob ein komplexer Fall vorliegt, der ein Case Management rechtfertigt. Dazu gehört eine Situationsanalyse im Gespräch mit der betroffenen Person, dem HR und der vorgesetzten Person. Darauf aufbauend werden Ziele und Aufgaben gemeinsam festgelegt. In regelmässigen Gesprächen wird der Fortschritt beurteilt und entschieden, ob der nächste Schritt angegangen werden kann. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen sind die Betroffenen wie auch ihr Umfeld oft verunsichert. Es kann Missverständnisse und Konflikte geben. Dort braucht es viel Vermittlungsarbeit und Vertrauensaufbau. Manchmal müssen wir in kleinen Schritten ausprobieren, was noch geht, und die Belastung langsam erhöhen. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten. Sie kennen die gesundheitlichen Einschränkungen und wir die Situation am Arbeitsplatz. Gemeinsam klären wir, was es braucht, damit die Reintegration gelingen kann. Bei Bedarf ziehen wir auch die IV für Versicherungsleistungen bei: ­einen Jobcoach, Hilfsmittel oder eine Rentenprüfung, wenn Einschränkungen bleiben.

Rentiert das Case Management?

Das Betriebliche Case Management der Bundesverwaltung beginnt bereits bei der Früherkennung und Frühintervention. Die Bundesverwaltung ist Eigenversicherer und hat keine Krankentaggeldversicherung. Je schneller es gelingt, jemanden wieder in den Arbeitsprozess zu reintegrieren, umso besser. Den Mehrwert und den ökonomischen Nutzen des Betrieblichen Case Managements in Zahlen auszu­drücken, ist schwierig. Aber es rechnet sich. Vorgesetzte und HR-Fachleute werden entlastet, Fehlzeiten reduziert, Ausfallkosten verringert und Mitarbeitende in den Arbeitsprozess reintegriert. Gleichzeitig machen die Dienstleistungen der betrieblichen Sozialarbeit im Rahmen des Betrieblichen Case Managements die soziale Verantwortung des Unternehmens erleb- und sichtbar und beeinflussen die Unternehmenskultur positiv.

Ab welcher Unternehmensgrösse lässt sich ein internes Case Management realisieren?

Es gibt Unternehmen bereits ab circa 350 Mitarbeitenden, die eine interne betriebliche Sozialberatung anbieten, und aber auch sehr kleine Firmen ab 10 bis 15 Mitarbeitenden, die einen externen Dienstleister damit beauftragen. Einerseits ist das ein Benefit, den der Arbeitgeber im Employer Branding ausweisen kann. Andererseits zahlt es sich immer aus, wenn Abwesenheiten verhindert oder verkürzt werden können und eine Reintegration gelingt.

Wie häufig können Sie dank dem Case Management eine langfristige Arbeitsunfähigkeit oder gar eine ­Erwerbsunfähigkeit verhindern?

Im vergangenen Jahr konnten in 71% der abgeschlossenen Fälle die Mitarbeitenden wieder ganz oder teilweise reintegriert werden. Das sind nur die komplexen Fälle mit längeren Abwesenheiten, nicht jene, die wegen einer Grippe oder eines Beinbruchs abwesend sind.

Was ist entscheidend, damit ein Case Management ­erfolgreich verläuft?

Im Wesentlichen geht es darum, herauszuarbeiten, was zur Leistungseinbusse oder Abwesenheit geführt hat, was für die Betroffenen veränderbar ist und was nicht. Wichtig ist auch, die Loyalität zum Mitarbeitenden ebenso zu wahren wie zum Arbeitgeber. Dabei stehen Transparenz und Offenheit im Zentrum. Schliesslich ist es unsere Aufgabe, alle Beteiligten zu ermutigen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Leute wollen arbeiten, wir identifizieren Probleme und finden Lösungen. So funktioniert es. In jedem Fall ist es wichtig, möglichst früh anzufangen. Wenn schwierige Situationen nicht angegangen werden, besteht die Gefahr, dass alle anfangen, sich mit der Situation zu arrangieren. Dann ist es schwieriger, in den Reintegrationsmodus zu kommen. Zudem wird die Hürde zur Rückkehr immer höher, je länger man vom Arbeitsplatz weg ist. Wenn es gelingt, die Reintegration in den Fokus zu rücken anstelle der Krankheit, kommt man ins Gespräch, und so entstehen neue Möglichkeiten.

Take Aways

  • Da das Case Management Teil der Bundesverwaltung ist, kann es auf die Unternehmenskultur abgestimmt agieren und bietet Unterstützung ohne wirtschaftliche Eigeninteressen.
  • Die häufigsten Fälle betreffen psychische Erkrankungen, weil diese oft zu komplexen Situationen führen und ein hohes Mass an Vertrauensaufbau nötig machen.
  • Je früher ein Case Management greift, desto höher sind die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung – lange Ausfälle erschweren die Rückkehr erheblich.
  • 2024 konnten 71% der betreuten Fälle wieder ganz oder teilweise in den Arbeitsprozess reintegriert werden.

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