Ein gelungener Start ins neue Leben

Donnerstag, 27. November 2025 - Gregor Gubser
Fachkräfte aus dem Ausland sind für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbar. Der Zuzug in die Schweiz birgt aber Hürden wie Behördenwege, Wohnungs­suche und Sozialversicherungen. Eric John, Geschäftsführer von Einwandern Schweiz, begleitet Fachkräfte beim Schritt über die Grenze. Im Interview mit Penso spricht er über die zentralen Bedürfnisse von Zuwandernden.

Eric John

wurde vor 44 Jahren in Berlin geboren und ist 2007 selbst in die Schweiz eingewandert. Nach verschiedenen Stationen wohnt er nun in der Stadt Bern, die er als seine Heimat bezeichnet. Sein 13-jähriger Sohn lebt in Spiez bei seiner Mutter, von der John geschieden ist. Sein berufliches Rüstzeug hat er sich zunächst in der Schweizer Gastronomie erarbeitet, wo er vor ­allem den Umgang mit internationalen Kunden ­gelernt hat. Später arbeitete er bei einer Bank und ­einer Versicherung. Heute ist er ­Geschäftsführer des Relocation Services Einwandern Schweiz. Zum ­Ausgleich geniesst er es, der Aare entlangzulaufen.

Herr John, welche Dienstleistungen umfasst ein Relocation Service?

Relocation soll den Start in der Schweiz erleichtern. Grundsätzlich ist die Dienstleistung sehr individuell. Wir haben unser Angebot modular aufgebaut und bieten verschiedene Pakete an, die sich am Bedarf des Kunden orientieren. Zentrale Themen sind die Wohnungssuche, die ­Umzugsorganisation sowie die An- und Abmeldung bei
den Behörden. Dazu kommt die Zollabwicklung, wobei ­Leasingfahrzeuge immer eine besondere Herausforderung darstellen. Bei Familien sind die Kinderbetreuung und die Kommunikation mit der Schule ein wichtiges Thema. Das geht bis hin zu sehr individuellen und persönlichen Fragen. Zudem beraten wir in finanziellen und versicherungsrelevanten Fragen. Das Wichtigste ist das Aufbauen einer guten und vertrauensvollen Beziehung.

Wie verläuft eine typische Relocation?

Am Anfang steht die Erstberatung mit einer Situationsanalyse. Dabei wird geklärt, welche Themen dringend sind und wo Unsicherheiten bestehen. Konnten die ersten Fragen geklärt werden und ist der Kunde nach reiflicher Überlegung überzeugt, dass die Auswanderung in die Schweiz der richtige Schritt ist, geht es an die konkrete Planung. Hier wird eine Strategie festgelegt, die die Ziele und die zeitlichen Rahmenbedingungen beinhaltet. Zunächst geht es in der Regel um die Jobsuche und die berufliche Integration: Bewerbungsunterlagen sichten und optimieren, arbeitsmarktliche Chancen einordnen, für Bewerbungsgespräche coachen, geeignete Jobangebote aufzeigen und die Kommunikation mit den möglichen Arbeitgebern aufgleisen. Danach folgen häufig Schnuppertage beim neuen Arbeitgeber, und schliesslich wird der Arbeitsvertrag besprochen, wo häufig erstmals Fragen zu den Sozialversicherungen auftreten.

Basis ist also das Arbeitsverhältnis. Was folgt danach?

Gerade für Arbeitnehmende aus Deutschland sind die Steuern ein zentrales Thema. Auch wenn sie für uns gefühlt erst an fünfter Stelle kommen. Konkret geht es nach Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Wohnungssuche weiter. Wir analysieren den Markt, verhandeln mit Vermietern und Verwaltungen, organisieren Wohnungsbesichtigungen oder schauen uns die Wohnungen selbst an. Dann geht es um den Mietvertrag – das Mietrecht in der Schweiz unterscheidet sich an einigen Stellen von jenem in Deutschland. Ist
die Wohnungssuche abgeschlossen, wird der Umzug organisiert – von den Zollformalitäten bis zur Ablaufkoordination der Schlüsselübergabe. Schliesslich folgen die Anmeldung bei der Gemeinde, die Eröffnung eines Bankkontos oder der Abschluss von Internet- und Mobilfunkverträgen. Zu guter Letzt folgt die Wohnsitzbestätigung und nach rund fünf Wochen die Ausstellung der Aufenthaltsbewilligung.

Die Aufenthaltsbewilligung ist der letzte Schritt?

Ja, da EU-/EFTA-Bürger dank der Personenfreizügigkeit grundsätzlich problemlos einreisen und sich niederlassen können. Es ist sogar so, dass die für fünf Jahre gültige B-Bewilligung erst erteilt werden kann, wenn ein Wohnsitz besteht und somit klar ist, welche Gemeinde und welcher Kanton zuständig ist. Ganz abgeschlossen ist die Relocation damit noch nicht. Es erfolgt eine Nachbetreuung, die auch die soziale Integration einbezieht und die Vermittlung von Versicherungen umfasst.

Sie verteilen die Beratung also über die Zeit?

Man muss die Informationen unbedingt portionieren. Wenn es zu viel wird, verlieren die Leute die Sicherheit und den Faden. Zu viele Themen aufs Mal können ablöschen. Wir haben einen klaren Fokus. Der Arbeitsvertrag ist zunächst zentral.

Wer ist der typische Kunde?

Im ersten Schritt werden wir in der Regel von Privatpersonen aus Deutschland kontaktiert, die sich in der Schweiz niederlassen möchten. Parallel dazu haben wir ein starkes Netzwerk aus Spitälern, Praxen und weiteren KMU, aber auch Grossunternehmen, die nach Personal suchen. Hier können wir vermitteln, da wir ein vom Seco zugelassener Personalvermittler sind, der grenzüberschreitend aktiv sein darf. Generell ist es mir lieber, wenn ich die Anfrage von einer Fachkraft habe und ich ihr einen Job vermitteln kann.

Wie findet man den richtigen Anbieter?

Ganz oft ist eine Internetrecherche der Ausgangspunkt. Auf unserer Website sprechen wir die Themen an, die für die Kunden interessant sind. Für die Kunden sind auch Empfehlungen aus dem Netzwerk hilfreich. Hier lohnt sich für uns nachhaltige Arbeit, die sich in einem guten Ruf niederschlägt.

Mit welchen Anliegen kommen Unternehmen auf Sie zu?

Der Fachkräftemangel steht natürlich im Raum. Im Schweizer Arbeitsmarkt ist es ein bisschen ein Ping-Pong-Spiel – man gibt eine Mitarbeiterin ab und kriegt eine andere. Will man aber wachsen, dann muss man über den Tellerrand hinausschauen. Da kommt einem der deutsche Arbeitsmarkt entgegen, da zumindest die sprachlichen Hürden klein sind. Es gibt auch Unternehmen, die sich durch den Relocation Service einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Sie bieten Personal, das sie gefunden haben, eine zusätzliche Unterstützung in eher privaten Bereichen wie bei der Wohnungssuche oder der Anmeldung, die sie als Arbeitgeber nicht selbst abdecken können oder wollen. So kann sichergestellt werden, dass die Fachkraft wirklich am ersten Tag da ist und nicht kurzfristig absagt, weil sie zum Beispiel keine Wohnung findet.

Relocation Services

Fachkräfte aus dem Ausland und Unternehmen, die sie ­anstellen, finden Unterstützung bei Relocation-Dienstleistern. Einer dieser Anbieter ist Eric John mit seinem Unternehmen einwandern-schweiz.ch.

Eine Internetrecherche zeigt zahlreiche weitere Anbieter, die zum Teil andere Schwerpunkte setzen. Einige Anbieter haben sich zudem im Verband Swiss Association of Relocation Agents zusammengeschlossen.

Was kostet die Relocation?

Für den Bewerber bleibt unsere Dienstleistung kostenfrei – zumal es in der Schweiz verboten ist, grenzüberschreitende Personalvermittlung den Bewerbern zu verrechnen. Die Kosten gehen zulasten des Arbeitgebers. Dieser muss für das Grundangebot mit 1500 bis 2000 Franken rechnen. Wenn die Betreuung und Begleitung über mehrere Tage individuell erfolgen soll, sind nach oben keine Grenzen gesetzt. So entsteht eine Win-win-Situation. Der Kandidat hat jemanden an seiner Seite, der ihm Sicherheit und Struktur vermittelt. Der Arbeitgeber findet eine Fachkraft, die wirklich kommt und mit grosser Wahrscheinlichkeit bleibt, da viele Hürden aus dem Weg geräumt wurden. Wir haben grosses Interesse daran, dass der Bewerber aus Deutschland hier Fuss fassen kann.

Sie sprechen fortwährend von Kunden aus Deutschland. Betreuen Sie auch Bewerber aus anderen Staaten?

Unsere Kunden kommen mehrheitlich aus Deutschland. Zirka 5 Prozent stammen aus Österreich. Das hat damit zu tun, dass wir in der Deutschschweiz vernetzt sind, was sprachlich dem deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt entgegenkommt. Arbeitssuchende aus Frankreich oder Italien dürften dieselben Bedürfnisse haben – und werden von Dienstleistern aus den entsprechenden Grenz- und Sprachregionen betreut. Ich vermute, dass Österreicher etwas andere Bedürfnisse haben als Deutsche. Sie fühlen sich im eigenen Land noch etwas wohler. Zudem sind die Landschaften in Österreich und der Schweiz ähnlicher.

Was sind die wichtigsten Bedürfnisse von Arbeitnehmenden, die in die Schweiz kommen?

Im Vordergrund steht das Bedürfnis nach einem wertschätzenden Arbeitgeber sowie Sicherheit und Wohlbefinden für die Familie. Viele fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Sei es wegen des Kriegs in der Ukraine oder wegen der Immigration. Zudem sind die Kassen leer, was sich in den Schulen und in Ausgaben für die Kultur niederschlägt. So kommt es, dass vierköpfige Familien ihre Häuser verkaufen und auswandern. Das sind grosse Umzüge mit vielen Herausforderungen und nicht einfach ein 18-Jähriger, der zwei Taschen in seinen Golf packt und mal rüberkommt.

Unterscheiden sich die Fragen und Bedürfnisse je nach Ursprungsland?

Zumindest nicht, solange es sich um EU-Bürger handelt. Hier sind die Bedürfnisse und Themen überall recht ähnlich.

Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Viele Fachkräfte haben Probleme bei der Anerkennung von Diplomen und Berufsabschlüssen. Soziale Integration ist immer ein Thema. Der Deutsche hat eine etwas andere Mentalität als der Schweizer und muss sich erst einmal an das neue Umfeld gewöhnen, auch an die eine oder andere Sprachbarriere. Zudem gibt es Unterschiede bei der Organisation und Verfügbarkeit der Kinderbetreuung oder die Tatsache, dass der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz deutlich kürzer und die Krankenversicherung anders organisiert ist. Eine weitere Herausforderung ist die Integration von Kindern ab der 8. Klasse – in der Schweiz liegt hier der Fokus schon auf dem Übergang in die Berufswelt. Zusammen mit dem Rückstand bei den Fremdsprachen wie Französisch kann das für die Jugendlichen sehr viel aufs Mal sein.

Konkret zu den Sozialversicherungen: Wo liegen hier die Herausforderungen?

Einwanderer haben naturgemäss nicht 44 Jahre ins System einbezahlt. Das gibt Lücken, und die fehlenden Beitragsjahre sind nicht einfach aufzuholen. In der AHV können Lücken nur sehr begrenzt aufgefüllt werden. In der Pensionskasse sind Einkäufe möglich. Zudem muss man bei Wahlsparplänen – sofern diese angeboten werden – richtig wählen. Das Krankenversicherungssystem ist eine weitere Herausforderung. In Deutschland ist das Krankentaggeld in die Krankenversicherung integriert, die vom Arbeitgeber bezahlt wird und die ganze Familie einschliesst. Das Schweizer System ist komplizierter. Die Prämien der Taggeldversicherung werden vom Lohn abgezogen, und für die Heilbehandlung müssen die Versicherten selbst eine Versicherung abschliessen, und zwar für jedes Familienmitglied einzeln. Dazu kommen die Wahlfranchise und der Selbstbehalt. Da besteht grosser Beratungsbedarf.

Steuern sind auch ein Thema. Wie wirkt sich das aus?

Je nach Einkommen unterscheidet sich die Steuerabrechnung. Ein Einwanderer mit einem Lohn unter 120000 Franken ist während fünf Jahren zunächst der Quellensteuer unterstellt. Somit erstellt er keine Steuererklärung und kann folglich keine Einkäufe in die 2. Säule oder Einzahlungen in die 3. Säule abziehen. Daher wird sein Fokus in diesen fünf Jahren nicht auf der Stärkung der Altersvorsorge liegen. Er kann mit anderen Geldanlagen flexibler investieren. Hier sollten wir in der Schweiz mehr Anreize für Einwanderer schaffen. Sonst drohen sie von Ergänzungsleistungen abhängig zu werden, wenn sie nach der Pensionierung in der Schweiz bleiben.

Wäre die Lücke wirklich so gross? Beitragszeiten in Deutschland werden ja angerechnet.

Schon, aber mit dem deutschen Lohn. Dort wird vom Bruttolohn ein relativ grosser Teil für die Steuern abgezogen, aber wenig für die Altersvorsorge. Somit wirken sich die fehlenden Beitragsjahre in der Schweiz spürbar auf die Rentenhöhe aus. Wandert jemand erst mit 50 oder 55 Jahren in die Schweiz ein, muss ich ihm raten, nach der Pensionierung wieder zurückzuziehen – er muss ja noch rund zwanzig Jahre von der Rente leben. So bekommt er einen «Boost» für die Rente, die ihm in Deutschland einen angenehmen Lebensabend ermöglicht. Für die Lebenshaltungskosten in der Schweiz ist das zu wenig, das kann er sich nicht leisten.

Wie erklären Sie den Einwanderern unser Sozialversicherungssystem?

Mit möglichst einfachen Worten. Gewissen Begriffen wie AHV, AHV-Nummer oder Pensionskasse und Unfallversicherung begegnet man im Arbeitsvertrag. Diese versuchen wir einzuordnen und mit Beispielen zu erklären. Wir sprechen das Drei-Säulen-System an und versuchen das Grundprinzip verständlich zu machen.

Wann sind Sie zufrieden mit der Relocation?

Der wichtigste Punkt ist der erste Arbeitstag. Ist die eingewanderte Fachperson da und beginnt zu arbeiten, ist das Hauptziel erreicht. Natürlich versuchen wir auch langfristigen Kontakt zu halten, wodurch Bekanntschaften und mitunter sogar Freundschaften entstehen. Ich bin richtig zufrieden, wenn der Einwanderer langfristig bleibt und nicht nach wenigen Monaten die Stelle wechselt oder in sein Heimatland zurückkehrt.

Take Aways

  • Relocation Services erleichtern Einwandernden den Start – von der Jobsuche über die Wohnungssuche bis zur Aufenthaltsbewilligung.
  • Der Arbeitsvertrag ist die Basis, danach folgen Wohnung, Umzug und Behördenwege. Typische Kunden sind Fachkräfte aus Deutschland, aber auch Unternehmen, die Personal im Ausland rekrutieren.
  • Zentrale Herausforderungen sind Anerkennung von Diplomen, soziale Integration, Kinder­betreuung und das komplexe Sozialversicherungssystem.

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