Künstliche Intelligenz wird elementar

Donnerstag, 13. Juli 2023 - Karen Heidl
Der E-Learning-Experte Elliot Masie erklärte anlässlich der Learntec 2023 seine Vision des Lernens der Zukunft und die Bedeutung von Virtual Reality und Künstlicher Intelligenz.

Bereits heute, so stellte Masie fest, habe sich das berufliche Lernen grundlegend verändert. Die Lerngewohnheiten seien diverser geworden. Die Entwicklung von Lehrplänen oder die Wahl der Lernplattform stehe heute nicht mehr im Zentrum. Thema heute sei die Frage, wie Technologien und Lernstrategien flexibler und individualisierter eingesetzt werden können, damit sowohl kurzformatige als auch zielgerichtete Lernangebote entstehen. Er schätzt die aktuelle Nachfrage so ein: «Neue Technologien, die Pandemie, wirtschaftliche Unsicherheit und Karriereplanung – wahrscheinlich hat das alles dazu geführt, dass viele Menschen jetzt viel schneller lernen wollen, was sie wirklich wissen müssen. Sie möchten nichts lernen, was sie aktuell nicht brauchen, sondern wollen lieber wissen, wo sie solche Inhalte bei Bedarf nachlesen oder sich ansehen können. Sie wollen mehr Austausch und Zusammenarbeit und sie möchten den Lernprozess mitgestalten.»

Masie glaubt nicht, dass die Menschen in Zukunft noch viele Dinge auswendig lernen werden. Eher werde man mehr Kompetenz darin entwickeln, durch Wissen zu navigieren. Er könne sich vorstellen, dass man «Lernen» in Zukunft anders definieren wird, indem sich neue Kompetenzen «aus dem Zusammenspiel von Wissen, Darstellungen, Übungen und Zusammenarbeit entwickeln, aber es wird sich nicht wie Lernen anfühlen – so ähnlich, wie ich heute zum Beispiel nicht von ‹Lernen› spreche, wenn ich etwas Interessantes im Fernsehen gesehen habe. Trotzdem wird Lernen immer da sein, auch wenn wir es in 30 Jahren vielleicht anders nennen und strukturieren.»

Zur Person

Elliot Masie ist ein amerikanischer E-Learning-Experte, Broadway-Produzent und Zukunftsforscher.

Virtual Reality

Das Metaversum sieht Masie kritisch: Weder sei eine VR-Brille ein Tool erster Wahl, noch sei Mark Zuckerbergs Facebook-Imperium, das inzwischen in Meta umbenannt wurde, für viele Unternehmen akzeptabel. Ein Hauptproblem sieht er allerdings darin, dass das Metaversum die Vorstellungskraft der Jüngsten nicht erobert: «Die interessieren sich momentan eher für TikTok oder Instagram. Ohne die jüngeren Generationen hat Technologie aber keine Chance auf Erfolg.»

Künstliche Intelligenz

In der Tat stehen die jüngeren Generationen augenscheinlich vor anderen Herausforderungen: Kay Law, Co-Founder und CTO des Kölner Start-ups Anymate-me, sieht im Video die Zukunft der digitalen Kommunikation nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch für Unternehmen. Die Kombination von Video und künstlicher Intelligenz eröffnet faszinierende Möglichkeiten, wie die Präsentation des Start-ups (siehe unten) zeigte. Dass KI-Technologie Arbeit und Gesellschaft revolutionieren wird, daran dürfte allerdings schon länger kein Zweifel mehr bestehen. Mit dem Aufkommen von ChatGPT sind diese Möglichkeiten für die Menschen greifbarer geworden. Die Präsentationen auf der Learntec 2023 zeigten, wie intensiv die Anbieter das Thema der Personalisierung von Lernangeboten heute vorantreiben. Auch in anderen Bereichen hilft KI kräftig mit, zum Beispiel beim Erstellen von Kompetenzprofilen, beim Matching von Kompetenzanforderungen und Lernangeboten, bei der Generierung von Analytics, bei der Lokalisierung von Inhalten, um nur einige Anwendungsfälle zu nennen. Kurz: Es gibt fast kein Produkt, das heutzutage auf KI-Elemente verzichtet. Die Technologie öffnet die Tür für weitere rasante Entwicklungen, wie das folgende Beispiel zeigt.

Mehrsprachige Videopräsentationen mithilfe Künstlicher Intelligenz

Das Unternehmen Anymate-me, eine Ausgründung der Universität Köln, befasst sich mit dem Synthetisieren von Video und Audio. Es nutzt KI, um realistisch wirkende Avatare vor der Videokamera zu erschaffen. Bei synthetischem Audio handelt es sich um künstlich erzeugte Stimmen, die man heutzutage so trainieren kann, dass sie in Tonalität und Stimmlage einem Original zum Verwechseln ähnlich werden. Wie Anymate-me-Mitgründer Kay Law erläuterte, bestehe die Herausforderung heute noch darin, dass man drei bis vier Stunden Audiomaterial benötige, um eine Stimme zu klonen. Das Unternehmen arbeite daran, für eine Synthetisierung der Stimme zukünftig nur 3 bis 20 Minuten zu benötigen.

Die grösste Herausforderung bei der Videoerstellung ist der Aufwand, der dafür benötigt wird und der sich in den Kosten niederschlägt. Anymate-me will dieses Problem lösen. Auf der Webplattform des Unternehmens können synthetische Videos via Texteingabe erzeugt werden. Man wählt dazu einen Avatar in Form einer realen Person für das Video aus oder kann in einer individualisierten Variante einen Avatar erstellen lassen. Der Avatar kann den hochgeladenen Text, die Powerpoint-Präsentation oder die Audiodatei in 65 Sprachen vortragen. Die sonst aufwendige Lokalisierung kann so quasi mit einem Mausklick durchgeführt werden. In einem Anwendungsfall hat das noch junge Unternehmen eine Newsletter-Kampagne mit personalisierten Videos, d.h. mit einer persönlichen Begrüssung des Adressaten, durchgeführt. Dazu wurde eine Tabelle hochgeladen und das personalisierte Video automatisiert erstellt. Die Klickraten wurden damit signifikant erhöht.

Law nannte in seiner Präsentation verschiedene weitere Nutzungsfälle:

  • In einem Fall hat Anymate-me für die HR-Abteilung eines internationalen Konzerns einen Avatar erstellt, sodass dieses Unternehmen nun selbständig synthetische Videos für die internationale Kommunikation erstellen kann. Dies habe, so Law, weniger als eine Stunde gedauert.
  • Für eine Schweizer Pensionskasse wurden Erklärvideos in mehreren Sprachen erstellt.
  • Ein weiterer Nutzungsfall sind Gebärdensprache-Videos, die mit der Anymate-me-Technologie automatisch erzeugt werden können.
Links:

Anymate-me
Website von Elliot Masie

Take Aways

  • Lernen vollzieht sich heute schneller, in kürzeren Einheiten und situativ.
  • Beim Lernen wird eine Vielfalt von Medien genutzt.
  • Künstliche Intelligenz (KI) kann Content-Erstellung, Adaptivität, Personalisierung und technische Prozesse verbessern bzw. beschleunigen.
  • KI werde ein stärkerer Treiber bei der Veränderung digitaler Lernangebote sein als Virtual Reality in der heute bekannten Form mit 3D-Brille, so der E-Learning-Experte Elliot Masie.

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