In dieselbe Kerbe schlug Silvan Winkler, Leiter Diagnostik, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Jörg Lienert AG. Er stellte die Frage, welche Skills die Wirtschaft in Zukunft braucht. Eine mögliche Antwort gibt die WEF-Studie Future of Jobs. Demnach sind im Jahr 2030 neben einem technologischen Grundverständnis und Kompetenzen in KI & Big Data, aber auch ur-menschliche Fähigkeiten gefragt, die auch heute schon wichtig sind: vernetztes Denken, Kreativität, Selbstwirksamkeit, Kooperations- und Führungsfähigkeiten.
Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften rät Winkler deshalb Skills höher zu gewichten als die Lebensläufe, transparente Spielregeln im Recruiting-Prozess aufzustellen und lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Den Bewerbenden auf der anderen Seite empfiehlt er: CV doppelt schreiben (für Mensch und Maschine), eine klare, konkrete Beschreibung der Skills sowie die eigene Lernkompetenz in den Vordergrund stellen. KI soll als Werkzeug und nicht als Ghostwriter genutzt werden. Jede Jobsuche sollte zudem mit einer Reflexionsrunde starten: Was mache ich gern und was kann ich gut? Wo könnten diese Skills nützlich sein und gar noch Geld bringen?
Auch Sozialversicherungen sind gefordert
Den Auswirkungen eines sich verändernden Arbeitsmarkts auf die Sozialversicherungen und den damit verbundenen Herausforderungen für Arbeitgebende widmete sich Alain Rogger, Leiter WAS Wirtschaft Arbeit Soziales Kanton Luzern. Anhand aktueller Kennzahlen des Kantons Luzern wie Arbeitslosenquote (1.6%) oder Anzahl Stellensuchende (6300) zeichnete er ein zurzeit positives Bild. Eine grosse Herausforderung ist allerdings die Demografie: Langfristig rechnet er mit weniger Stellensuchenden und folglich weiterhin mit Fachkräftemangel. Dem müssten Durchführungsstellen wie die RAV, aber auch die Arbeitgebenden begegnen. Einerseits indem sie Strukturen anpassen und andererseits den Kontakt zu den Menschen suchen. Die Durchführungsstellen sollen unkomplizierter und schneller werden; die RAV etwa dank gezielter IT-Unterstützung mehr Zeit erhalten, sich mit den Stellensuchenden zu befassen. Der Pensionierungswelle sollen Unternehmen aktiv begegnen durch Flexibilität in der Anstellung oder dem Angebot von Bogenkarrieren. Letztlich sei auch die Politik gefordert, Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen. Ein Schritt in diese Richtung könnte die Reform AHV2023 sein, die höhere Freigrenzen für Einkommen im Alter bringen und Rentenvorbezüge weniger attraktiv machen soll. Unbeantwortet bleibt für Rogger allerdings die Frage, wie künftig neue Arbeitsformen, Selbständigkeit oder Plattformarbeit bei der Beitragserhebung und im Umkehrschluss beim Leistungsanspruch bewertet werden.
Freude an der Arbeit
Im abschliessenden Podium fragte Hannes Blatter, Geschäftsführer des Luzerner Forum, die Referenten nach einem Tipp, wie es ihnen gelingt, arbeitsmarktfähig zu bleiben. Dabei waren sich die Befragten mehrheitlich einig und haben Stichworte zusammengetragen, die sich alle zu Herzen nehmen können:
Offen bleiben für Neues, kreativ werden und etwas mit den Händen erschaffen, Freude an der Arbeit bewahren, damit sich Lern- und Veränderungsbereitschaft wachhalten lässt, womit auch die wahrgenommene Sinnhaftigkeit im Beruf profitiert.
Take Aways
- Der Wandel des Arbeitsmarkts wird oft als schneller wahrgenommen, als er tatsächlich ist.
- Künstliche Intelligenz wird zunehmend als persönliches Beratungs- und Organisationswerkzeug genutzt. Wichtig ist, dass der Mensch entscheidet, in welchen Bereichen sie sinnvoll eingesetzt wird.
- Nichtlineare Lebensläufe spiegeln wichtige Kompetenzen wie Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit wider und sollten im Recruiting stärker berücksichtigt werden.
- Zukünftig sind neben technologischen Fähigkeiten auch Kreativität, vernetztes Denken und Führungsqualitäten entscheidend für den Erfolg am Arbeitsmarkt.
- Sozialversicherungen und Arbeitgeber müssen sich flexibel auf den Fachkräftemangel und neue Arbeitsformen einstellen und Anreize für längeres Arbeiten schaffen.