Führung übernimmt Verantwortung
Führung spiele eine Schlüsselrolle bei der Verankerung von AI. «Unsere Erfahrung zeigte: Die Mitarbeitenden sind mitunter weiter als ihre Vorgesetzten – das bremst die Innovationsdynamik», sagte Huber. Deshalb liege 2025 der Fokus klar auf der Befähigung des Managements.
Dazu stellt das Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Eines davon ist der dreistündige Workshop «AI-Impuls für Führungsteams», der gezielt auf das Zusammenspiel von Strategie, Führung und AI-Anwendung eingeht. Ergänzt wird dieses Format durch das offene Lernportal «AI-Campus», das Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen – vom Einsteiger bis zur Expertin – bereitstellt. «Der AI-Campus steht allen offen – bewusst ohne Tracking. Wir setzen auf Eigenverantwortung statt Kontrolle», erklärte Huber. Zusätzlich gibt es einen AI-Lernpfad, der Orientierung im Weiterbildungsangebot bietet, das sowohl Selbstlernformate als auch Prompting-Schulungen für Führungskräfte inklusive Konzernleitung umfasst.
Auch kommt der Spass nicht zu kurz: So wurde zusammen mit der Post und Postfinance der Peer-Learning-Event «Prompthaton» durchgeführt. Ein Prompthaton ist ein kollaboratives Lern- und Arbeitsformat, bei dem Teilnehmende gemeinsam Prompts – also gezielte Eingabeaufforderungen für generative KI-Modelle wie ChatGPT – entwickeln, testen und optimieren. Der Begriff ist zusammengesetzt aus «Prompt» und «Hackathon». Ziele eines Prompthatons sind zum Beispiel die Erarbeitung von
Use-Cases und der interdisziplinäre oder auch unternehmensübergreifende Wissenstransfer.
Kompetenzen mehrdimensional denken
Die SBB unterscheidet drei Ebenen von AI-Kompetenz:
- Technische Expertise: wird entwickelt und gepflegt in spezialisierten IT- und Fachbereichen.
- Anwenderkompetenz: wird gestützt durch begleitende Lernformate wie Selbststudiumsmaterialien oder inspirierende Schulungen, bei denen AI-Trainer direkt in die Teams kommen.
- Managementkompetenz: Ziel ist es, dass Führungskräfte AI reflektiert mitdenken, in ihre Verantwortungsbereiche einordnen und Mitarbeitende gezielt befähigen.
Diese Formate entstanden nicht auf dem Reissbrett. «Wir haben keinen starren inhaltlichen Masterplan», sagte Huber. «Vieles entstand durch Ausprobieren, im Schulterschluss mit Transformationscoaches aus dem HR und den Führungskräften der Fachbereiche. Die Dynamik, mit der sich die AI-Technologie rasant weiterentwickelt, erfordert eine hohe Flexibilität bei der Konzeption und Umsetzung von Lerninhalten.»
Datenqualität ist das Fundament
Ohne saubere Datenbasis bleibt AI wirkungslos. Deshalb unternimmt die SBB datenbezogene Aktivitäten in allen Divisionen.
Lernkultur statt Fehlerkultur
Sicherheit ist bei der SBB zentral – Fehler können Menschenleben betreffen. Gleichzeitig braucht es Lernräume. «Wir sprechen bewusst von Lernkultur, nicht von Fehlerkultur», betonte Huber. AI soll ausprobiert werden dürfen – innerhalb klarer ethischer Richtlinien und rechtlicher Rahmen. Mit dem «SBB AI Chat», einem auf OpenAI basierenden internen Tool, haben Mitarbeitende bereits seit Januar 2024 einen geschützten Zugang zur Technologie – ergänzt durch eine Prompt-Bibliothek und Tutorials.
Der Kulturwandel wird top-down unterstützt: Beim internen «SBB Inspire»-Event zeigte der CEO persönlich, wozu er AI-Tools nutzt.
Pilotieren mit Skalierung im Blick
Drei Felder stehen im Fokus: Wissensassistenten, Softwareentwicklung und im Kerngeschäft Fahrplan/Dispatching. Besonders Wissensassistenten haben grosses Potenzial – auch wegen der bevorstehenden Pensionierungswelle und des immensen Regelwerks. Von AI-gestütztem Wissensmanagement profitiert bereits heute der SBB-Kundendienst, der zu deutlicher Entlastung bei der Bearbeitung von durchschnittlich 2.4 Millionen Kundenfällen pro Jahr führt. Dabei bleibe der Mensch in der Entscheidungsschleife – AI unterstütze, ersetze ihn aber nicht.
Fazit: Worauf es bei der AI-Transformation ankommt
Huber stellte in ihrem Erfahrungsbericht sieben kritische Erfolgsfaktoren vor: Strategie und Vision, klare Führung und Governance, kontinuierliche Entwicklung der Anwenderkompetenz, eine robuste ICT-Infrastruktur, Zugang zu neuen Technologien für Mitarbeitende, eine offene Unternehmenskultur und die Planung von Pilotprojekten, die auf Unternehmensebene skalierbar sind.
Take Aways
- Führung beginnt mit Befähigung: Workshops, Lernpfade und Peer-Impulse fördern Reflexion und Verantwortung.
- Lernkultur fördern, ohne Angst: Fehler vermeiden ist wichtig – aber Lernen zu ermöglichen, ebenso.
- Kompetenzen vielschichtig entwickeln: Technisches Know-how, Anwendungspraxis und Führungsfähigkeit gehören zusammen.
- AI braucht gepflegte Daten: Qualität und Zugriffsfähigkeit sind Voraussetzungen für alle Projekte.
- Skalierung mitdenken: Pilotprojekte müssen von Anfang an auf Transfer überprüft werden.