Viele Unternehmen gehen bereits erste Schritte – etwa durch datenbasierte Skill-Gap-Analysen, AI-gestützte Lernplattformen oder die Verknüpfung von Karrierepfaden mit gezielten Lerninhalten. Für ein wirksames Zusammenspiel braucht es zentrale Erfolgsfaktoren: die strategische Verankerung, transparente Skill-Daten, personalisierte Lernangebote, eine durch die Führung gelebte Lernkultur sowie die technologische Integration von Lern- und HR-Systemen.
Welche Rolle spielt die HR-Abteilung bei der Transformation hin zu einer lernenden Organisation, und wie kann HR diesen Wandel aktiv unterstützen?
Ich habe bei mehreren Schweizer KMU und Start-ups erlebt, wie durch gelebte Fehlerkultur die Innovationsfähigkeit von Unternehmen und die Mitarbeiterbindung deutlich gestärkt werden. HR spielt dabei eine Schlüsselrolle als Impulsgeberin, Gestalterin oder Moderatorin. Durch gezielte Entwicklungsmassnahmen sowie den Einsatz partizipativer und kreativer Methoden kann HR die Transformation aktiv mitgestalten. Wichtig ist, dass HR auch die Führungskräfte befähigt, als Lernvorbilder zu agieren.
Inwiefern können Führungskräfte als Vorbilder für lebenslanges Lernen agieren?
Führungskräfte prägen die Lernkultur entscheidend. Wer eigene Lernfelder offenlegt, neue Erfahrungen sucht und Feedback einholt, sendet ein starkes Signal ans Team. Lernen wird damit zur Führungsaufgabe. HR unterstützt durch gezielte Angebote. Neben dem Augenmerk auf das Thema Lernen in Performancegesprächen Zielvereinbarungen oder der Nachfolgeplanung, kann sich HR auch mit speziellen Formaten einbringen wie Brown Bag Lunches, Coachings, Peer-Learning oder Impulsformaten mit Expertinnen und inspirierenden Persönlichkeiten. Entscheidend ist, dass HR Lerngelegenheiten schafft – alltagsnah, inspirierend und auf Augenhöhe – und Führungskräfte befähigt, als glaubwürdige Lernvorbilder zu agieren.
Was bedeutet das konkret für die HR-Praxis?
HR muss den organisatorischen Rahmen schaffen, in dem Lernen nicht als Projekt, sondern als Teil der Unternehmenskultur gelebt wird – beispielsweise über «Learning Circles». Erfolgreiche Umsetzungen sehe ich oft dort, wo HR cross-funktionale Lernräume etabliert – etwa mit Barcamps oder unternehmensübergreifenden Lernkooperationen. HR ist nicht nur Unterstützer, sondern aktiver Teil des Lernprozesses – insbesondere durch das eigene Vorleben, regelmässige Reflexion und Weiterentwicklung der HR-Teams selbst. Ein modernes HR fungiert zunehmend als Lernarchitekt und orchestriert interne sowie externe Lernangebote entlang strategischer Unternehmensziele – insbesondere in der Führungsentwicklung.
Wie kann HR über eine Lernarchitektur echte Transformation herstellen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, bloss Buzzwords zu bedienen?
Echte Transformation zeigt sich daran, dass Lernprozesse systematisch im Alltag verankert sind – etwa durch regelmässige Retrospektiven, interdisziplinäre Austauschformate oder Feedbackschleifen. Wenn Lernen nur auf E-Learnings reduziert oder punktuell betrieben wird, fehlt meist die tiefere Verankerung. Die Haltung der Führungskräfte ist ebenfalls ein Gradmesser: Werden Lernimpulse gefördert oder lediglich toleriert? Substanz erkennt man an gelebtem Verhalten, nicht an Hochglanzbroschüren. Transformation ist sichtbar in der Sprache und den Ritualen des Alltags: Sprechen Teams offen über Fehler? Gibt es Rituale des Innehaltens, der Reflexion, des gemeinsamen Lernens, des neugierigen Austausches, des Experimentierens? Wird Weiterbildung als Budgetposten betrachtet oder als strategische Investition mit Priorität behandelt? Eine tiefe Lernkultur erkennt man daran, dass Lernen «bottom-up» genauso stark initiiert wird wie «top-down». Oder ganz konkret: Wenn Mitarbeitende gefragt werden, was sie zuletzt gelernt – oder verkackt – haben, sollte die Antwort leichtfallen – das ist der beste Lackmustest für gelebtes Lernen.
In der Praxis scheitern Lerninitiativen häufig an Zeitmangel, Budgetgrenzen oder fehlender Management-Unterstützung. Wie soll HR mit diesen Hürden umgehen?
Diese Hürden sind real, aber überwindbar. Entscheidend ist, Lernen nicht als Zusatzaufgabe, sondern als integralen Teil der Arbeit zu gestalten – etwa durch kurze Lernimpulse vor Meetings oder Reflexionen nach Projekten. HR sollte mit einer ehrlichen Standortbestimmung beginnen: Wo stehen wir wirklich, und wie steht es um unser Lernklima? Wie geübt sind wir im Lernen? Transparenz und Priorisierung helfen, trotz Ressourcenknappheit Wirkung zu erzielen und auch mit kleinen Formaten oder Ritualen zu starten. Microlearning, «Lessons Learned» oder Peer-Formate brauchen wenig Ressourcen, wirken aber nachhaltig. Wichtig sind Transparenz, ein realistisches Erwartungsmanagement und der Dialog mit dem Management, um Lernen als strategisches Investment zu verankern.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Implementierung von Lernkulturen?
Eine der grössten Herausforderungen ist die Veränderung von Denk- und Handlungsmustern – sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei Führungskräften. Lernkulturen erfordern Vertrauen, Offenheit und die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Emotionale Hürden wie Leistungsdruck oder Angst vor Gesichtsverlust sind mögliche Blockaden, die aktiv adressiert werden müssen. Zentral ist das Schaffen von psychologischer Sicherheit: Nur wer sich sicher fühlt, traut sich, Fehler einzugestehen, um daraus zu lernen. Beteiligung ist ebenfalls entscheidend – Mitarbeitende sollten bei der Gestaltung von Lernformaten mitwirken können. Lernformate dürfen nicht als Alibiübung ausschliesslich für das Unternehmen konzipiert werden, da sie sonst ins Leere laufen und Frustration erzeugen. Weitere wirksame Ansätze sind das Teilen von Erfolgsgeschichten aus der Organisation und die gezielte Förderung von Lernbotschafterinnen und -botschaftern, die Lernformate aktiv mitgestalten und verbreiten. Führungskräfte müssen dabei nicht nur als Lernvorbilder agieren, sondern auch aktiv Lern- und Reflexionszeit ermöglichen. Insofern bewährt sich die Einführung von Lernzeitkontingenten – sichtbar, verbindlich und geschützt vor Alltagsdruck.