Lebenssituationen: Betreuende gehen nicht leer aus

Freitag, 16. Oktober 2020 - Kurt Häcki
Wer seine Angehörigen pflegt, leistet einen wichtigen Dienst für die Gesellschaft. Dies honoriert diese mit einer gewissen Absicherung durch die Sozialversicherungen.

Ella Allemann, 45-jährig, pflegte fünf Jahre lang ihre kranke Mutter. Da ihre Mutter auf dauernde Hilfe angewiesen war, gab sie ihre Vollzeitbeschäftigung auf und zog zu ihr (wohnhaft in der Schweiz). Den Lebensunterhalt bestritt Ella Allemann während der Pflege ihrer Mutter aus ihrem eigenen Vermögen und mit der AHV-Rente sowie der Hilflosenentschädigung der AHV ihrer Mutter. Mitte Januar 2020 starb ihre Mutter. Die finanziellen Reserven von Ella Allemann gehen nun langsam aber sicher zur Neige. Von welchen Sozialversicherungen hat sie Ansprüche und was ist weiter zu beachten?

Die Serie Lebenssituationen

In der Serie Lebenssituationen greift Sozialversicherungsexperte Kurt Häcki Lebenssituationen von der Wiege bis zur Bahre auf. Suchen Sie Rat zu einem bestimmten Sachverhalt? Unsere Experten unterstützen Führungskräfte, HR-Verantwortliche und Mitarbeitende in Schweizer Unternehmen bei allen Fragen zu Sozialversicherung und Personalvorsorge.

Weitere Beiträge auf der penso-LinkedIn-Seite:

Linked-In

Arbeitslosenentschädigung

Ella Allemann hat Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung aufgrund der Beitragsbefreiung gemäss Art. 14. Abs. 2 AVIG (Arbeitslosenversicherungsgesetz) und Art. 13 AVIV (Arbeitslosenversicherungsverordnung):
«Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die wegen Trennung oder Scheidung der Ehe, wegen Invalidität (Art. 8 ATSG) oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern.»

Für die Anmeldung zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug der Taggelder hat sie nach dem Tod ihrer Mutter ein Jahr Zeit. In der zweijährigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug hat sie Anspruch auf 90 Taggelder. Die Höhe der Taggelder richtet sich nach dem Pauschalansatz für den versicherten Verdienst. Der Pauschalansatz ist abhängig von ihrem Schul- oder Berufsabschluss (zum Beispiel: Hochschulabschluss, abgeschlossene Berufslehre oder Abschluss der obligatorischen Schule).

AHV

Ella Allemann ist seit der Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit als Nichterwerbstätige an die AHV/IV/EO beitragspflichtig. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach ihren finanziellen Verhältnissen (Ersatzeinkommen/Vermögen). Wenn sie Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht, werden ihr davon die AHV/IV/EO-Beiträge abgezogen. Diese AHV/IV/EO-Beiträge kann sie an ihre Beitragspflicht als Nichterwerbstätige anrechnen lassen. Sie muss ihrer AHVAusgleichskasse eine Kopie des Lohnausweises der Arbeitslosenkasse zustellen. Während der Dauer der Pflege und Betreuung ihrer Mutter kann sie bei ihrer AHV-Ausgleichskasse jährlich Betreuungsgutschriften beantragen. Das entsprechende Formular findet Ella Allemann
im Internet (siehe Weblinks am Ende des Textes) oder sie kann es bei ihrer AHV-Ausgleichskasse verlangen. Die Betreuungsgutschriften tragen zur Erhöhung des massgebenden durchschnittlichen Einkommens bei, das die Höhe der Altersrente der AHV bestimmt. Eine rückwirkende Anrechnung von Betreuungsgutschriften ist nicht möglich.

Ab 1. Januar 2021 haben betreuende Angehörige Anspruch auf Betreuungsgutschriften in der AHV, wenn die pflegebedürftige Person eine Hilflosenentschädigung leichten Grades bezieht. Auch Lebenspartnerinnen und Lebenspartner haben Anspruch, wenn das Paar seit mindestens fünf Jahren im gleichen Haushalt lebt.

Ergänzungsleistungen zur AHV

Falls ihre Mutter Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV bezogen hat, wurde bei der Berechnung des Anspruchs bei den anerkannten Ausgaben ein Mietzinsanteil (maximal halber Betrag der Mietzinspauschale) angerechnet, da Ella Allemann bei ihr wohnte.

Im Rahmen der Krankheits- und Behinderungskosten kann Ella Allemann nach dem Tod ihrer Mutter keine Aufwendungen für Hilfeleistungen (z.B. für Raumpflege, Wäsche besorgen, Betten, Alltagseinkäufe) geltend machen, da Mutter und Tochter zusammen im gleichen Haushalt wohnten. Hingegen können noch Betreuungsaufwendungen (z.B. für Hilfe beim Essen und Trinken, Hilfe beim An- und Auskleiden) angerechnet werden, sofern Ella Allemann nicht in der EL-Berechnung eingeschlossen war und durch die Betreuung eine länger dauernde, wesentliche Erwerbseinbusse erlitten hat. Dies gilt nur, wenn die Kosten (das heisst die Erwerbseinbusse) nicht schon durch die Hilflosenentschädigung der AHV gedeckt sind. Da die Kantone weitergehende oder restriktivere Bestimmungen zur Rückvergütung dieser Kosten erlassen können, muss sich Ella Allemann bei der EL-Durchführungsstelle erkundigen.

Eine gesamtschweizerische Definition, was unter Hilfe und Betreuung verstanden wird, gibt es nicht. Lediglich im KVG ist festgehalten, was als Pflegeleistung von Pflegefachpersonen mit Berufsausübungsbewilligung anerkannt wird (Tabelle «Ergänzungsleistungen für Betreuung bei Krankheit und Behinderung »).

Nach dem Tod ihrer Mutter muss Ella Allemann die Einreichungsfrist von 15 Monaten nach der Rechnungsstellung (in ihrem Fall dem entsprechenden Kalendermonat) beachten.

Meldepflichten im Todesfall

Im Todesfall sind verschiedene amtliche Stellen und Sozialversicherungen zu informieren. Viele Gemeinden bieten entsprechende Merkblätter an.

Artikel teilen


Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.

Folgen sie uns auf