Gesundheitsförderung: Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie

Mittwoch, 03. Februar 2021
Eine Bewältigung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Krisen ist zwar keine neue Aufgabenstellung, doch sind die heutigen Bedingungen im Vergleich zu historischen Erfahrungen andere: Kommunikation, Untersuchungs- und Unterstützungsmöglichkeiten haben sich mit der Digitalisierung verändert. Ein breites Forschungs- und Erfahrungsfeld tut sich auf. Mediziner berichteten anlässlich der 22. per Webcast durchgeführten Gesundheitsförderungs-Konferenz über ihre Erkenntnisse und tauschten sich mit 640 Fachpersonen aus.

«Die Faktoren, welche das Risiko für schwere Verläufe von COVID-19 erhöhen, sind dieselben, welche schon immer im Fokus der Gesundheitsförderung und Prävention standen», so fasste Guido Graf, Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektor und Stiftungsratspräsident von Gesundheitsförderung Schweiz  die Bestandsaufnahme, der Situation zusammen. Drei Studien zum Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung spiegelten dieses Bild wider.

Corona und Stressempfinden

Die «Swiss Corona Stress Study» unter der Leitung von Prof. Dominique de Quervain, Direktor der Abteilung für kognitive Neurowissenschaften an der Universität Basel, untersucht mit regelmässigen Umfragen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Stressempfinden, Angstgefühle und depressive Symptomatik.

Die Entwicklung, die sich in den Ergebnissen abbildet, schätzte de Quervain als besorgniserregend ein. Seit dem ersten Lockdown im Frühling 2020 habe sich der Anteil von Studienteilnehmern mit depressiven Symptomen von 9.1% auf 18.4% verdoppelt. Über alle Befragungszyklen hinweg stellte das Forschungsteam zudem fest, dass Personen, die körperlich aktiv sind und regelmässig Sport treiben, weniger Stress und depressive Symptome aufwiesen als die körperlich weniger aktiven – ein Befund, der frühere Erkenntnisse der Gesundheitsförderung stützt.

Die Studie liefere zudem Hinweise, bei welchen Bevölkerungsgruppen die Belastungen besonders gross seien. Dazu gehören vor allem junge Leute und Berufstätige aus Branchen, die von den behördlichen Schliessungen betroffen sind oder deren finanzielle Reserven aufgrund der Einschränkungen abgenommen haben.

Junge Menschen besonders vulnerabel

Der «COVID-19 Social Monitor» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) erfasst die Auswirkungen der Pandemie auf die Menschen in der Schweiz oder spezifische Bevölkerungsgruppen. Marc Höglinger, Leiter Versorgungsforschung und Dozent an der ZHAW, legte in seinem Referat dar, dass die Anzahl Personen mit häufigem oder sehr häufigem Stress in Phasen mit behördlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie deutlich ansteige – besonders in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Sie waren im Lockdown auch besonders häufig von Einsamkeit betroffen. Anzeichen für eine deutliche Zunahme psychischer Probleme zeigten die Studienergebnisse allerdings nicht, anders als die «Swiss Corona Stress Study». Die Referenten de Quervain und Höglinger führten dies auf das unterschiedliche Studiendesign zurück. Die «Swiss Corona Stress Study» erhebe keinen Anspruch auf Repräsentativität.

Eine Delphi-Studie der Unisanté in Lausanne, vorgestellt von Karin Zürcher und Andrea Lutz, basiert auf einer Umfrage unter mehr als 100 Fachleuten. Sie zeigt auf, das Prävention für ältere Menschen, Bevölkerungsgruppen in prekären Situationen und psychisch verletzliche Menschen während der Pandemie besonders wichtig sei. Allerdings müssten die Massnahmen und die Kommunikationsmittel den Gruppen entsprechend angepasst, differenziert eingesetzt und die Potenziale der Digitalisierung weiter ausgeschöpft werden.

Kommunikation – Das A & O der Prävention

Auf das Thema Kommunikation ging der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani in seinem Referat vertieft ein. Er stellte deutlich heraus, dass Kommunikation über alle zielgruppenspezifischen Kanäle hinweg der wichtigste Hebel der Prävention sei. So seien junge Menschen kaum über Fernsehen und Radio zu erreichen, wohl aber ältere Bevölkerungsgruppen, während Soziale Medien vor allem bei Jugendlichen gut funktionieren. Ganz allgemein misst er gedruckten Flyern eine schwindende Bedeutung zu, während die digitalen Medien einen Quantensprung für die Gesundheitsaufklärung ermöglichten.

Als problematisch haben sich unterschiedliche Einschätzungen aus verschiedenen Kantonen zur Corona-Lage erwiesen. Eine stärker abgestimmte, konsistente Kommunikation in wesentlichen Präventionsmassnahmen sei wünschenswert, um Verunsicherungen bei der Bevölkerung vorzubeugen. Merlani legte zudem die Gefahr der Stigmatisierung dar: Er erinnerte an öffentliche Aufforderungen an ältere Menschen, möglichst zuhause zu bleiben. Dies habe zu kontraproduktiven Konflikten und Anfeindungen geführt.

Präventionskommunikation für Migranten

Die Bedeutung einer niederschwelligen, zielgruppenorientierten Kommunikation bestätigte auch Markus Mader, Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK). Sein Referat widmete sich der Vermittlungsarbeit zu Migrationsgemeinschaften mit fehlenden Sprachkenntnissen in einer der Landessprachen, die in der Schweiz ca. 200000 Personen umfassen. Dieses Potenzial auszuschöpfen ist für das SRK von zentraler Bedeutung, um vulnerable Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund während COVID-19 zu erreichen. Der Weg führe über die speziellen Medien der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die vor allem online präsent sind. Auf einem eigenen Internetportal migesplus.ch werden zudem Informationen für Gesundheitsfachpersonen, Sozialarbeitende oder andere Multiplikatoren in 56 Sprachen angeboten. (he)

Links zum Thema

Medienmitteilung

Arbeitspapier «Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gesundheitsbezogene Belastungen und Ressourcen der Bevölkerung»

Der Artikel beruht auf Aufzeichnungen der 22. Nationalen Gesundheitsförderungs-Konferenz am 28. Januar 2021 zum Thema «Coronavirus und Gesundheitsförderung: Erkenntnisse für die Zukunft». Veranstalter: die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren.

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