Das ist natürlich die Gretchenfrage. Natürlich ist New Work im Moment sehr stark auf die Bürowelt fokussiert. Das ist zwar nur ein Teil der Arbeitswelt, in der Schweiz aber sehr relevant. Dennoch geht New Work deutlich weiter. New Work richtet den Fokus ganz generell auf möglichst gute Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter. Dabei spielt es gar nicht so eine Rolle, ob die Arbeitsplätze vor Ort, remote oder hybrid sind. Es geht darum, eine möglichst gute Zusammenarbeit und eine möglichst hohe Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen sicherzustellen, um die besten Talente anzuziehen und zu halten.
Was entgegnen Sie Kritikern, die den Begriff «New Work» nur noch für ein wohlklingendes Schlagwort halten, womit sich allerlei Beratungsleistungen verkaufen lassen?
Es stimmt, dass New Work auch eine Projektionsfläche ist. Den Begriff muss man erstmal mit Inhalt füllen, damit er nicht zu einer Worthülse verkommt. Ich nutze ihn im Kontext der digitalen Transformation, die flexibles, mobiles Arbeiten unterwegs und im Homeoffice erst richtig ermöglicht hat. Diese technologische Entwicklung stellt eine Zäsur dar und ging der Pandemie voraus, die einen unumkehrbaren Paradigmenwechsel eingeläutet hat: Unsere Art, mobil und flexibel zu arbeiten, ist zu einem Standard geworden und wird in dem aktuellen Arbeitnehmermarkt von vielen Mitarbeiterinnen inzwischen wie selbstverständlich eingefordert. Wer zufriedene Mitarbeitende möchte, muss sich daher mit hybrider Zusammenarbeit auseinandersetzen.
Die Arbeitsplatzsituation verändert sich ständig: Wird hybride Arbeit zur Norm, oder wird es fluide weitergehen?
Hybrides Arbeiten und Homeoffice sind gekommen, um zu bleiben. Es ist und bleibt aber durchaus ambivalent. Zwar arbeiten viele im Homeoffice effizienter, aber mit der Zeit schwindet das Zugehörigkeitsgefühl in einer Organisation, wenn man sich nicht physisch sieht. Damit sinkt auch die Innovationskraft. Insofern glaube ich nicht, dass Arbeitgeber in jedem Fall etwas falsch machen, wenn sie sagen, bei uns gibt es maximal ein bis zwei Tage Homeoffice pro Woche. Andererseits erleichtert es die Zusammenarbeit, wenn die Leute in entscheidenden Situationen vor Ort sind. Etwa beim Onboarding von neuen Mitarbeitenden, und auch die Bedürfnisse von jungen Mitarbeitern darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Wenn die Erfahrenen alle im Homeoffice sitzen, ist es sehr viel schwieriger, das nötige Know-how weiterzugeben. Damit eine Vertrauenskultur und der Wissenstransfer funktionieren können, gilt es eine optimale Balance zu finden.
Wie können Arbeitgeber hybride Arbeitsplätze optimal gestalten, damit sie weiterhin in Kontakt mit ihren Leuten im Remote-Modus bleiben?
Bei verschiedenen Firmen in der Schweiz haben wir gesehen, dass es aus der Führungsetage plötzlich hiess: «Die Arbeitswoche dauert von Montag bis Freitag, und zwar im Büro.» Andere Firmen sagen: «Wir haben wöchentlich einen Teamtag, damit wir uns an einem Tag sehen, für den Rest organisiert ihr euch selbst.» Es wird weiterhin organisations- und branchenspezifische Pendelbewegungen geben. Hybrides Arbeiten ist zumindest in Bürojobs heute die Norm. Es wird aber ein Verhandlungsthema bleiben. Ich arbeite mit Teams zusammen, wo wir Hybrid Work Guidelines ausarbeiten und neben Fragen nach dem Wann und Wo auch die Art der Zusammenarbeit untersuchen: Was sind die Regeln der digitalen Erreichbarkeit, welche digitalen Kommunikationskanäle ergeben Sinn, und welche kann man auch getrost entrümpeln? Diese Dinge muss man aushandeln. Das ist zwar anstrengend, aber sehr wichtig. Es gibt kein Patentrezept. Die Swisscom ist seit 20 Jahren mit «Future of Work»-Themen unterwegs. Sie hat umgebaut und wieder rückgebaut und sagt: Ungefähr 25% ihrer Belegschaft wünscht sich einen fixen Arbeitsplatz. Also bietet sie ihnen das auch, wenn sie das wollen. Persönlich bin ich kein Fan davon, alle über einen Kamm zu scheren. Aber im Moment ist es eher ein Trend, dass man ein Konzept für alle macht, auch wenn die Bedürfnisse je nach Persönlichkeitstyp und Arbeitsinhalt sehr verschieden sind.
Wie nehmen Sie aktuell die Qualität der Schweizer Personalfachleute wahr in Bezug auf ihre Digitalisierungskompetenz?
Ich masse mir nicht an, der Schweizer HR-Welt ein Zeugnis auszustellen. Es ist wie überall: Es gibt top Leute, die einen super Job machen, und andere, die nur Dienst nach Vorschrift pflegen und vielleicht selbst nicht den Job haben, den sie wirklich, wirklich wollen. Die Frage der Digitalisierungskompetenz ist aus meiner Sicht zweitrangig. Grundkompetenzen müssen sicher vorhanden sein. Aber das Wichtigste im HR ist, dass da Leute sind, die wirklich ein inneres Feuer für Personalfragen haben. Etwas anderes ist das Verständnis für die Prozesse der digitalen Transformation innerhalb der eigenen Organisation, die branchenspezifisch unterschiedlich sein kann. Da ist noch Potenzial vorhanden.
Welchen Einfluss hat Künstliche Intelligenz auf den Werkplatz Schweiz, und wie sollen HR-Fachleute mit den laufenden Veränderungen umgehen?
HR-Leute sollten – wie alle anderen im Übrigen – neugierig mit KI und technischem Wandel umgehen. Das heisst, sich dafür zu interessieren, was das eigentlich ist. Ist das alles wirklich so schwierig und revolutionär, wie viele behaupten? Ich habe seit dem ChatGPT-Hype einige HR-Abteilungen geschult. Dabei haben wir uns im Kontext mit KI mit vielen Fragen beschäftigt: Wie können KI-Tools die HR-Arbeit unterstützen – etwa im Recruiting? Wie geht man auch mit problematischen Aspekten um? Beispielsweise mit Diskriminierungseffekten, die durch verzerrte Datensätze entstehen, mit denen die Tools trainiert wurden. Es geht im HR auch darum, digital-ethische Fragen aufzuwerfen. Zur Inspiration können die neuen generativen KI-Tools HR-Leuten aber genauso helfen wie allen anderen Berufsgruppen. Deshalb sollte HR hier eine gewisse Freude am Lernen und eine gesunde Neugier an den Tag legen. Dem lebenslangen Lernen dürfen sich gerade auch HR-Fachpersonen nicht entziehen.
Wie lassen sich attraktive und zukunftsfähige Arbeitsplätze gestalten?
Das Whitepaper publizierte Sarah Genner im Frühjahr 2025 zusammen mit Tobias Véron von Great Place To Work Schweiz. Mit dem Whitepaper «New Work Schweiz» soll die Debatte darüber aufgemischt werden, was dies für Schweizer Arbeitgeber bedeutet – im Zeitalter von Homeoffice, Künstlicher Intelligenz und Arbeitskräftemangel.