Positive Emotionen werden in der Arbeitswelt unterschätzt

Montag, 22. September 2025 - Judith Fischer
Innovationspsychologe Benjamin Sager spricht im Interview über den Umgang mit Prokrastination und Ablenkungen im Arbeitsalltag sowie über die Vorbildfunktion von Führungskräften.

Benjamin Sager ist zertifizierter ZRM-Trainer und ­Innovationspsychologe mit Erfahrung in Einzel- und Gruppensettings. Mit seinem Unternehmen Mutanfall unterstützt er Teams und Führungspersonen darin, auf kreative und humorvolle Weise neue Höchstleistungen zu erreichen. Sager ermutigt Menschen, ihre Komfortzone zu verlassen und mutig Neues auszuprobieren.

Benjamin Sager, Sie haben sich mit Ihrem Unternehmen Mut­anfall auf die Entwicklung von Teams und Führungskräften spezialisiert. Unter dem Motto «Serious Play» bieten Sie für namhafte Kunden spielerische Formate an, um die Leistungsfähigkeit von Teams auf humorvolle und kreative Weise zu steigern. Warum gibt es dafür einen Markt?

Viele Führungskräfte erkennen, dass es in der heutigen, komplexen Arbeitswelt neue Ansätze braucht. Unsere Kunden stammen aus unterschiedlichen Branchen – von Banken über Schulen bis hin zu Technologie- und Kommunikationsunternehmen. Wir kombinieren wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse mit Konfetti, also mit Verspieltheit und Humor. Wir nutzen Humor als Mittel, um die Resilienz zu stärken und das Teamklima zu verbessern. Positive Emotionen werden im Arbeitskontext unterschätzt: Sie erweitern die Wahrnehmung und schaffen mehr Handlungsspielraum. So entstehen neue Ideen und Lösungen.

Eines Ihrer Beratungsthemen ist die Prokrastination. Gibt es etwas, das Sie aufschieben, und wie gehen Sie damit um?

Ich erledige Aufgaben meistens sofort, verliere dabei jedoch manchmal den Fokus. Für unangenehme Aufgaben muss ich mir jedoch feste Termine in den Kalender eintragen, zum Beispiel fürs Bodenwischen. Doch Aufschieben ist nicht immer schlecht. Bei schwierigen Entscheidungen kann es sinnvoll sein, darüber zu schlafen.

Was sind die Gründe dafür, dass Menschen wichtige Aufgaben aufschieben?

Laut Professor Julius Kuhl kann Prokrastination verschiedene Ursachen haben: fehlender Fokus durch Ablenkung, zu wenig Energie, Angst vor Fehlern oder die Tendenz, mühsame Aufgaben zu vermeiden.

Wie können Vorgesetzte und Betroffene mit solchem Aufschiebeverhalten umgehen?

Bei zu viel Ablenkung hilft es, Störungen zu reduzieren. Bei zu wenig Energie ist ein gutes Energiemanagement entscheidend. Das Energielevel schwankt im Tagesverlauf und ist individuell unterschiedlich. Anspruchsvolle Aufgaben sollten erledigt werden, wenn das Energielevel am höchsten ist. In Tiefphasen kann man leichtere Aufgaben in Angriff nehmen, zum Beispiel E-Mails beantworten oder Dokumente einordnen. Perfektionistinnen und Perfektionisten mit Angst vor Fehlern profitieren von einer gesunden Fehlerkultur im Unternehmen. Und wer unangenehme Aufgaben meidet, kann mit der «Road-Movie-Methode» arbeiten: Man stellt sich eine Weggabelung vor und überlegt, wie es sich morgen, in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr anfühlen würde, wenn man sich für den einen oder anderen Weg entscheidet. Dadurch wird meist klarer, was die kurz- und langfristigen Folgen davon sind, eine Aufgabe aufzuschieben oder zu erledigen.

Ein Trainingsfeld, auf dem Sie aktiv sind, ist der Umgang mit Ablenkungen und Unterbrechungen. Welche typischen Ablenkungen erleben Sie in der Arbeitswelt, und wie geht man am besten mit ihnen um?

Die Digitalisierung ist ein grosser Ablenkungsfaktor. Hier helfen Massnahmen wie das Deaktivieren von Benachrichtigungen. Auch soziale Ablenkungen sind häufig. Fokuszeiten sollten bewusst eingeplant werden, wenn möglich in einem ruhigen Raum oder im Homeoffice. Wer Schwierigkeiten hat, Nein zu sagen, kann sich schon im Vorfeld eine passende Formulierung zurechtlegen. So fällt es leichter, in entscheidenden Momenten selbstbewusst und klar zu reagieren. Unterbrechungen kosten viel Zeit und Energie. Es dauert eine Weile, bis man wieder voll konzentriert ist. Führungskräfte können bei sich selbst beginnen und andere durch gute Gewohnheiten inspirieren. Zum Beispiel kann es helfen, E-Mails nur in einem klar definierten Zeitfenster zu bearbeiten. Forschungsergebnisse zeigen: Selbst wenn die Leistung nicht direkt leiden sollte, ist man nach Unterbrechungen viel erschöpfter.

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