Wachstum als HR-Projekt

Donnerstag, 01. Februar 2024 - Karen Heidl
Pascal Faeh war Profisportler, bevor er ins HR einstieg. Dies prägte auch seine Arbeitsweise, als es darum ging, beim Sportschuh-Start-up «On» Wachstum zu managen.

Herr Faeh, Sie haben als HR-Manager Wachstums­phasen in unterschiedlichen Kontexten erlebt. Was ist das Besondere an schnell wachsenden Unternehmen?

Ich habe verschiedene Formen von Entwicklung gesehen. Als ich bei einem Telekommunikationsunternehmen arbeitete, war das Wachstum stetig, vollzog sich aber unter wechselhaften Vorzeichen zwischen Euphorie und Massenentlassungen. Beim Sportartikelhersteller On hatte man zu der Zeit, in der ich dort tätig war, von Beginn an hohe Erwartungen an ein generelles Wachstum. Der Fahrplan war klar. Wir waren damals ca. 50 Personen, also noch sehr am Anfang in einem Open-Space-Büro mit einem grossen Küchentisch. Meine Rolle im HR wurde durch die Unternehmensstrategie definiert. Ich musste mit den Massnahmen im HR sicherstellen, dass diese Strategie bestmöglich unterstützt wurde. Abgeleitet davon definierte ich drei Hauptaspekte: Kultur, Organisation und Prozesse.

Wie hat sich die Kultur im Laufe der Entwicklung, die Sie begleitet haben, verändert?

On hatte damals eine sehr ausgeprägte Kultur, die stark von sportlichem Gedankengut und Gemeinschaftsgefühl geprägt war. Man hat die Strategie in emotionalen Bildern ausgedrückt. Davon fühlten sich vor allem junge Leute angesprochen.

Als ich damals meine Stelle bei On angetreten habe, befand sich das Unternehmen in der Transformation aus der Start-up-Phase in eine neue Stufe. Die Mitarbeitenden der ersten Stunde waren alle noch dabei und haben ein starkes Wir-Gefühl vermittelt. On hatte in der kurzen Zeit einen starken Employer-Brand entwickelt, der viele Initiativbewerbungen auslöste. Ich musste Positionen nie lange ausschreiben. Dies zeigt, wie wichtig ein starker Employer-Brand sein kann. Das Wachstum legte rasant zu, und es wurden viele neue Mitarbeitende rekrutiert.

Gemeinsam mit dem Unternehmen galt es auch die Kultur zu transformieren in ein Szenario, in dem man kein Start-up mehr ist und die Legenden aus der Gründungsphase, die man sich noch im Team erzählte, nicht mehr dieselbe Wirkung entfalten konnten. Natürlich wollten wir die Gründerlegende nicht verlieren, aber die neuen Mitarbeitenden sollten nicht ausgegrenzt, sondern mit offenen Armen empfangen werden. Dieser Punkt ist sehr wichtig: neuen Mitarbeitenden zu vermitteln, dass auch sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens leisten.

Mit welchen Massnahmen haben Sie dies unterstützt?

Wir haben mit verschiedenen Mitteln versucht, das Kennenlernen und den persönlichen Austausch zwischen den Mitarbeitenden zu fördern. Dazu haben wir ein paar Gamification-Elemente wie beispielsweise Mystery-Lunches eingesetzt, auch häufigere Platzwechsel im Büro waren hilfreich.

Die Identifikation mit dem Unternehmen beginnt allerdings mit einem guten Onboarding. Das hybride Arbeiten war damals vor Corona noch nicht so verbreitet. Im Rückblick kann ich sagen, dass die Präsenz gerade für das On­boarding sehr wichtig war, um Menschen für das Unternehmen zu begeistern, Vertrauen zu schaffen und Identifikation herzustellen. Kontakt und Kommunikation sind für die Erfahrung einer Kultur entscheidend.

Als Sportler habe ich früh gelernt, dass Erfolg ein Zusammenspiel unterschiedlicher Stärken ist. Nur Mini-Mes um sich zu scharen, bringt einen nicht weiter. Ausschliesslich mit Stürmern gewinnt man kein Eishockeyspiel. Die passende Mischung macht den Unterschied. Das nützte mir auch in der Rekrutierung. Es braucht verschiedene Menschen, die unterschiedlich denken, unterschiedlich handeln und auch mal den Status quo hinterfragen. Damit konnten wir im On-Mindset sehr gut umgehen.

Pascal Faeh

Der ehemalige Zürcher Eishockey-Profi Pascal Faeh war in diversen Rollen im Human Resources tätig, zuletzt als Head of HR beim schnell gewachsenen Sportschuh- und Bekleidungshersteller On. Inzwischen betreibt er zusammen mit seiner Frau Nadine Faeh die HR- und Multimedia-Agentur Faeh+Faeh Film. Sie vereint Human-Resources- und Videoproduktions-Know- how und bietet eine ganzheitliche Beratung und Projektbegleitung im Employer-Branding- und Recruiting-Umfeld an.

Was war im Hinblick auf die Organisation wichtig?

Es war wichtig, sehr gut zu kommunizieren und verlässliche Entscheidungen zu fällen, die auch Bestand hatten. Ich muss hier etwas ausholen: Ich denke, das HR sollte in schnell wachsenden Organisationen oder auch in Veränderungen Selbstvertrauen zeigen. Es gibt in solchen Phasen viele Themen, deren sich niemand direkt annimmt. Zum Beispiel das Thema Kultur: Die kann sich der CEO als Aufgabe zuteilen, aber auch die Kommunikation könnte den Finger heben, und es könnte auch viele gute Gründe geben, warum sich das HR des Themas annehmen sollte. Da muss man halt unter Umständen selbstbewusst Zuständigkeit demonstrieren. Wenn man am Entscheidungstisch mitreden will, dann muss man Courage haben und auch einfach mal «machen». Sonst wird man degradiert zum Koordinator und Bittsteller: «Haben alle neue Arbeitsverträge? Wissen alle, wo sie Montagmorgen um 9.00 Uhr sein sollen?» – in der Art. Die wichtigen Personalentscheidungen werden dann ohne HR gefällt. Deshalb ist ein entscheidungsstarkes, selbstbewusstes HR in Wachstumsphasen wichtig. Gerade in Veränderungszeiten darf man nicht bei jedem Gegenwind nach einer getroffenen Entscheidung umfallen. Die Gründe für diese Entscheidungen sollten aber nachvollziehbar sein und deshalb gut kommuniziert werden.

Im Wachstum geht es vor allem um Menschen, deshalb muss man sich als HR-Verantwortlicher diese Fähigkeiten auch wirklich aneignen. Solche Situationen sind immer auch Chancen, mitzugestalten, Kontinuität und Sicherheit zu erzeugen.

Wie haben Sie die Aufgaben und Themen priorisiert?

Um wirklich wichtige Themen mitzugestalten, braucht man Ressourcen. Ich musste also immer wieder entscheiden: «Ist es wichtig? Ist es dringlich? Kenne ich mich damit aus?». Und wenn etwas wichtig, dringlich und mir fremd ist, dann muss ich mir Hilfe holen, sonst verzettelt man sich operativ.

Welchen Herausforderungen waren die Führungskräfte in den Transformationen ausgesetzt, und wie konnten Sie unterstützen?

In Wachstums- und Veränderungsphasen nehmen die Führungskräfte eine zentrale Rolle ein. Sowohl bei On als auch bei früheren Stationen habe ich beobachtet, dass man sich in Veränderungssituationen häufig eine Art Pokerface zulegt. Man will gegenüber den Mitarbeitenden Stabilität und Verlässlichkeit signalisieren. Aber die Führungskräfte sind selbst auch Unsicherheiten ausgesetzt und haben nicht immer einen klaren Blick auf die Zukunft. HR-Manager und -Managerinnen sind dann häufig die einzigen Sparringpartner, um sich auszutauschen. Hier kann das HR eine wichtige Stütze sein, auch wenn es einfach mal ein Zuhören ist.

Was hat Ihnen geholfen, Ihren Job zu machen?

Ich betrachte Aufgaben häufig als Projekte. Für jedes Projekt braucht es einen Plan. Auch Wachstum kann ein Projekt sein. Also denke ich über die Unternehmensziele nach und entwickle daraus eine HR-Strategie. Ich stelle dann ein oder mehrere Projektteams zusammen, mit denen ich diese Teilziele verfolge. Das Projekt hat einen Anfang und ein Ende, jedes Teammitglied in dem Projekt hat eine Rolle und bestimmte Kompetenzen und Verantwortungen. Das ist mein Ansatz: sich Klarheit verschaffen, ein Kernprojektteam bilden, Ziele definieren – neben den operativen Aufgaben, die natürlich weiterlaufen. Ich fasse also zusammen:

  • Die HR-Transformations-Teams sollten sich aus Personen zusammensetzen, die Verantwortung tragen wollen und entscheiden können, und zwar möglichst abteilungsübergreifend. Ich achte darauf, dass die Menschen, mit denen ich arbeite, wirklich Entscheidungskompetenzen haben und aktiv mitgestalten wollen und können.
  • So wichtig es ist, relevante HR-Kernthemen klar zu besetzen, so notwendig ist es auch, Abgrenzungen vorzunehmen, wenn Aufgaben nicht in das HR-Kerngeschäft gehören.
  • Und schliesslich: Kommunikation sollte nicht unterschätzt werden. Das heisst nicht, dass man mit möglichst vielen Menschen kommuniziert, sondern differenziert und gezielt.

Take Aways

  • Schnell wachsende Unternehmen benötigen eine klare HR-Strategie, die Kultur, Organisation und Prozesse berücksichtigt.
  • Im Übergang der Start-up-Phase zum gestandenen Unternehmen spielen die Unternehmenskultur und deren Transformation eine entscheidende Rolle.
  • Ein intensives Onboarding, möglichst vor Ort, und Aktivitäten, die die Kommunikation unter Team­mitgliedern fördern, sind zentral.
  • HR-Verantwortliche sollten in Wachstumsphasen selbstbewusst und entscheidungsstark auftreten, klare Kommunikation sicherstellen und die Geschäftsleitung sowie Führungskräfte unterstützen, indem sie als Sparringpartner agieren und die Perspektiven der Stakeholder aus allen Unternehmensbereichen einbringen.
  • Es empfiehlt sich, Wachstumsphasen als Projekte zu planen und zu strukturieren.

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