Abschluss von Arbeitsverträgen – besser digital oder handschriftlich?

Freitag, 31. Mai 2024 - Philipp Meier Schleich
Im Personalwesen wird immer mehr auf elektronische Signaturen gesetzt. ­Dabei ist es wichtig, die verschiedenen Arten von elektronischen Signaturen zu unterscheiden und allfällige Formvorschriften zu bedenken.

Elektronische Signaturen werden immer einfacher verfügbar. Ihre Verbreitung nimmt zu, auch bei KMU und Privatpersonen. Ein Smartphone mit den erforderlichen Apps kann genügen, um nach durchlaufenem Identifikations- und Registrierungsprozess PDF-Dokumente mit der eigenen elektronischen Signatur zu versehen.

Viele HR-Verantwortliche unterstützen die Verbreitung elektronischer Signaturen, in der Hoffnung auf eine weitere Reduktion von Papierdokumenten und eine Verschlankung der Abläufe. Indes begegnet man in der Praxis nicht selten Missverständnissen, wenn es um elektronische Signaturen geht.

Zunächst sind aus rechtlicher Sicht verschiedene Arten von Unterschriften auseinanderzuhalten, die in digitaler Form geleistet werden können. Bezugspunkt ist die eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR. Zumal das Gesetz jeweils die Einhaltung der Schriftform und damit genau solche eigenhändigen Unterschriften der sich verpflichtenden Personen verlangt, wenn es für die Gültigkeit eines Arbeitsvertrags oder darin enthaltener Abreden eine Formvorschrift enthält.[1]

Eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR meint die althergebrachte Unterschrift, die die unterzeichnende Person von Hand leistet – oder eben «zeichnet». Typischer Anwendungsfall ist eine Unterschrift, die mit Kugelschreiber auf ein Vertragsdokument aus Papier geschrieben wird. Für die eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR ist Handschriftlichkeit erforderlich. Daher kann zum Beispiel keine eigenhändige Unterschrift entstehen, wenn nur ein Bild der Unterschrift einkopiert wird.

Unterschrift auf Touchscreen

Von einer Pad-Signatur spricht man, wenn die unterzeichnende Person ihre Unterschrift von Hand auf den Touchscreen eines Tablets oder anderweitigen Computers zeichnet, unter Verwendung eines entsprechenden Schreibgeräts (Eingabestift, Touch Pen). Ob eine Pad-Signatur eine eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR erzeugen kann, ist in der juristischen Lehre umstritten. Ein Teil der Lehre lehnt dies ab. Eingewendet wird etwa, für eine eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR brauche es ein physisches Originaldokument, das hier fehle. Nach einem anderen Teil der Lehre kann auch eine Pad-Signatur als eigenhändige Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR in Frage kommen. Als Voraussetzungen werden die veränderungsresistente und dauerhafte Speicherung auf Datenträgern sowie eine hohe Auflösung des Touchscreens und die Erfassung der Druckfestigkeit genannt.

Elektronische Signaturen nach ZertES

Weiter sind die verschiedenen Arten von elektronischen Signaturen zu erwähnen, die im Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES) unterschieden werden.[2] Die einfache elektronische Signatur (EES) erfasst schlicht «Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder die logisch mit ihnen verknüpft sind und zu deren Authentifizierung dienen».[3] Beispiel: Ein PDF mit eingefügtem Scan einer eigenhändigen Unterschrift.

Die fortgeschrittene elektronische Signatur (FES) ist eine elektronische Signatur, die zusätzliche Anforderungen erfüllt, was die Identifikation der signierenden Person und Verknüpfung mit den Daten angeht.[4] Beispiele sind elektronische Signaturen, die von ausländischen, nicht nach dem ZertES zertifizierten Anbietern stammen. Solche Signaturen werden oft von Unternehmen verwendet, die ihre Zentrale im Ausland haben.

Auf der höchsten Stufe der elektronischen Signaturen steht die in Art. 14 Abs. 2bis OR angesprochene qualifizierte elektronische Signatur (QES) nach ZertES, die zudem mit einem qualifizierten Zeitstempel versehen ist. Eine QES erfüllt noch weitergehende Anforderungen und beruht auf einem elektronischen Zertifikat, das nur durch eine nach ZertES anerkannte Anbieterin von Zertifizierungsdiensten ausgestellt werden darf, die namentlich die Identität des Antragsstellers nach strengen Vorgaben zu prüfen hat. Anwendungsfälle sind die QES mit qualifizierten Zeitstempeln, die auf Zertifikaten von schweizerischen Anbietern beruhen, die nach ZertES anerkannt sind.

Zu betonen ist, dass diese qualifizierte elektronische Signatur mit qualifiziertem Zeitstempel die einzige Art elektronische Signatur ist, die der eigenhändigen Unterschrift nach Art. 14 Abs. 1 OR gleichgestellt ist.

Grundsatz der Formfreiheit, aber …

Nimmt man nun den Abschluss von Arbeitsverträgen in den Blick, ist zwar vom Grundsatz der Formfreiheit auszugehen. Soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt, ist es für die Gültigkeit eines Arbeitsvertrags nicht erforderlich, dass er in einer bestimmten Form abgeschlossen wird. So betrachtet, kann ein Arbeitsvertrag normalerweise in beliebiger Form abgeschlossen werden. Also zum Beispiel auch durch den Austausch von normalen E-Mails oder durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags mit elektronischen Signaturen, die nur als fortgeschrittene elektronische Signaturen einzuordnen sind. Ebenso wären die Parteien in einem solchen Fall frei, von ihnen definierte Formen für den Abschluss und die Abänderung des Arbeitsvertrags vorzuschreiben.[5]

Indes wird der Grundsatz der Formfreiheit durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt, in denen für die Gültigkeit gewisser Arbeitsverträge und Abreden verlangt wird, dass der Abschluss in Schriftform erfolgt.

Dass das Gesetz für den Abschluss des Arbeitsvertrags als solchem die Schriftform vorschreibt, ist nur bei vereinzelten Sonderarten von Arbeitsverträgen der Fall. Aus dem Bereich der Berufsbildung kann der Lehrvertrag genannt werden, aus dem Bereich der Hochseeschifffahrt der Heuervertrag.[6] Für alle anderen Arten von Arbeitsverträgen verlangt das Gesetz nicht, dass sie in Schriftform abgeschlossen werden müssen, um Gültigkeit zu erlangen.

Dies gilt unbesehen der in Art. 330b Abs. 1 OR statuierten Pflicht des Arbeitgebenden, den Arbeitnehmenden schriftlich über gewisse Eckdaten der Anstellung zu informieren, die für alle Arbeitsverhältnisse gilt, die auf unbestimmte Zeit oder für mehr als einen Monat eingegangen wurden. Das Zustandekommen des Arbeitsvertrags einerseits und die Erfüllung der Informationspflicht nach Art. 330b Abs. 1 OR andererseits sind unterschiedliche Themen – und die Nichterfüllung der Informationspflicht hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit des Arbeitsvertrags.

Häufig von Bedeutung sind aber gesetzliche Vorschriften, die für die Gültigkeit gewisser Abreden die Einhaltung der Schriftform verlangen. Dies betrifft etwa Abmachungen zur Entschädigung von Überstunden, in denen von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird (siehe Box «Abreden mit gesetzlichem Schriftformerfordernis – eine Auswahl»). Zudem kann ein Arbeitsvertrag je nach Konstellation einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder Normalarbeitsvertrag (NAV) unterstehen, worin die Schriftform für die Gültigkeit von abweichenden Abreden vorgeschrieben wird (soweit solche abweichenden Abreden zulässig sind).[7]

Abreden mit gesetzlichem Schriftformerfordernis – eine Auswahl

  • Abweichende Regelungen betreffend Überstundenentschädigung nach Art. 321c Abs. 3 OR
  • Abweichende Regelung bei Krankheit oder Unfall nach Art. 324a Abs. 4 OR
  • Erwerb von Erfindungen oder Designs, die nicht in Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten gemacht worden sind, nach Art. 332 Abs. 2 OR
  • Abweichende Regelung betreffend Probezeit nach Art. 335b Abs. 2 OR
  • Abänderung der Kündigungsfrist nach Art. 335c Abs. 2 OR
  • Vereinbarung eines Konkurrenz­verbots nach Art. 340 OR
  • Vereinbarung besonderer Folgen einer Verletzung des Konkurrenzverbots nach Art. 340b Abs. 3 OR

Insbesondere wegen der Abreden, für deren Gültigkeit das Gesetz die Schriftform verlangt, empfiehlt es sich in der Praxis, Arbeitsverträge in der Regel unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform zu vereinbaren – auch wenn das Gesetz dies im Einzelfall gar nicht verlangen würde. Entsprechend ist es auch ratsam, für die Unterzeichnung jeweils qualifizierte elektronische Signaturen mit qualifizierten Zeitstempeln nach Art. 14 Abs. 2bis OR zu verwenden – oder andernfalls eigenhändige Unterschriften nach Art. 14 Abs. 1 OR.

 

[1] Schriftform nach Art. 12–15 OR («einfache Schriftlichkeit»).
[2] Für weitere Arten von elektronischen Signaturen siehe Art. 2 ZertES.
[3] Art. 2 lit. a ZertES («elektronische Signatur»).
[4] Siehe für Einzelheiten Art. 2 lit. b ZertES.
[5] Vgl. Art. 16 OR.
[6] Art. 344a Abs. 1 OR (Lehrvertrag); Art. 69 Abs. 2 Seeschifffahrtsgesetz (Heuervertrag).
[7] Vgl. zudem Art. 347a OR zum Handelsreisendenvertrag und Art. 19 Arbeitsvermittlungsgesetz zum Arbeitsvertrag des Leih­arbeitnehmenden.

Take Aways

  • Soweit das Gesetz für die Gültigkeit von Arbeitsverträgen und darin enthaltener Abreden Formvorschriften aufstellt, verlangt es die Einhaltung der Schriftform nach Art. 12–15 OR.
  • Zur Einhaltung dieser Schriftform bedarf es entweder eigenhändiger Unterschriften nach Art. 14 Abs. 1 OR oder qualifizierter elektronischer Signaturen mit qualifizierten Zeitstempeln nach Art. 14 Abs. 2bis OR.
  • Ob auch mit Pad-Signaturen eigenhändige Unterschriften nach Art. 14 Abs. 1 OR kreiert werden können, ist umstritten.

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