Vertrauen entsteht durch Wissen

Freitag, 28. November 2025
Die Zukunft der 2. Säule hängt massgeblich vom Vertrauen der Bevölkerung ab – und Vertrauen entsteht durch Wissen.

Die berufliche Vorsorge ist weit mehr als nur eine finanzielle Institution – sie ist ein zentrales Element des sozialen Zusammenhalts in der Schweiz. Millionen von Versicherten vertrauen ihre Vorsorgegelder den Pensionskassen an. Diese Einrichtungen sichern nicht nur die Altersleistungen, sondern prägen das Vorsorgesystem insgesamt und leisten einen erheblichen Beitrag zur Stabilität der Volkswirtschaft. Umso erstaunlicher ist es, dass das Wissen über die Funktionsweise der 2. Säule in der Bevölkerung nach wie vor gering ist. Studien zeigen, dass zentrale Begriffe wie «Umwandlungssatz» oder «technischer Zins» kaum verstanden werden. Auch die individuellen Ansprüche sind für viele Versicherte ein Buch mit sieben Siegeln.

Dieses Wissensdefizit hat Folgen. Wer das System nicht versteht, kann dessen Mechanismen nicht einschätzen und vertraut den handelnden Akteuren weniger. Aus Sicht der Prinzipal-Agent-Theorie ist dies einleuchtend: Vertrauen entsteht, wenn Entscheidungen nachvollziehbar und überprüfbar sind. Fehlt dieses Verständnis, wächst das Gefühl der Abhängigkeit – und genau das schwächt die Akzeptanz des gesamten Systems. Psychologisch geht dies oft mit dem Gefühl von Kontrollverlust einher. Vertrauen wird brüchig, wenn die Versicherten das Handeln der Vorsorgeeinrichtungen nicht bewerten können.

Die Konsequenzen zeigen sich auf verschiedenen Ebenen. Erstens in der öffentlichen Wahrnehmung: Negative Schlagzeilen füllen die Wissenslücken. Wenn Medien Pensionskassen als «Selbstbedienungsladen» darstellen, bleibt dieser Eindruck stärker haften als komplexe, aber sachlich korrekte Erklärungen. Zweitens in der Politik: Die BVG-­Reform scheiterte 2024 erneut, und dies trotz breiter Unterstützung von Verbänden, Arbeitgeberorganisationen und bürgerlichen Parteien. Ohne Vertrauen fehlt die gesellschaftliche Akzeptanz, die für dringend notwendige Anpassungen – etwa im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung – unerlässlich wäre.

Drittens wirkt sich mangelndes Vertrauen direkt auf das Verhalten der Versicherten aus. Wer die Funktionsweise der 2. Säule nicht versteht, entscheidet sich eher für riskante Optionen wie den vollständigen Kapitalbezug bei Pensionierung. Solche Entscheidungen mögen im Moment plausibel wirken, können aber die finanzielle Sicherheit im Alter gefährden – etwa weil Langlebigkeitsrisiken oder die Inflation unterschätzt werden. Damit erhöht sich letztlich das Risiko von Altersarmut, das eigentlich durch die 2. Säule vermieden werden soll.

Die Zukunft der 2. Säule hängt massgeblich vom Vertrauen der Bevölkerung ab – und Vertrauen entsteht durch Wissen. Darum braucht es ein gemeinsames Engagement aller Beteiligten: Vorsorgeeinrichtungen, Verbände, Arbeitgeber und HR-Verantwortliche. Insbesondere Letztgenannten kommt eine Schlüsselrolle zu. Sie haben es in der Hand, ihre Belegschaft mindestens einmal jährlich aktiv über den Vorsorgeplan und die Leistungen der Pensionskasse aufzuklären. Nur wenn wir komplexe Themen verständlich machen und kontinuierlich in den Alltag tragen, schaffen wir die notwendige Transparenz. So legen wir gemeinsam den Grundstein für mehr Vertrauen – und stellen sicher, dass die 2. Säule auch in Zukunft als tragende Stütze unseres Sozialstaats bestehen bleibt.

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