Verbesserter Bewerbungsprozess, ­integrativere Belegschaft, mehr Erfolg

Dienstag, 27. Mai 2025 - Helena Trachsel
Die Herausforderung besteht darin, sich unbewusster Vorurteile bewusst zu werden.

Ein eindrückliches Beispiel für unbewusste Vorannahmen (Unconscious Bias) findet sich in der Blind-Spot-Studie der Harvard University. Diese Studie untersucht, wie unbe­wusste Vorurteile unsere Wahrnehmung und unsere Entscheidungen beeinflussen können, insbesondere in Bezug auf Herkunft und Geschlecht.

In einem Experiment wurden Teilnehmende gebeten, eine Reihe von Bildern von Menschen zu betrachten und diese zu bewerten. Sie sollten die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass die abgebildeten Personen in bestimmten Berufen erfolgreich wären. Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmenden oft unbewusste Vorurteile hatten, die ihre Einschätzungen beeinflussten. So wurden weisse Männer häufiger als geeignet für Führungspositionen angesehen als Frauen und Personen anderer Nationalitäten oder anderer Hautfarbe.

Die als Resume-Experiment bekannte Studie «The Impact of Names on Job Applications» des National Bureau of Economic Research zeigte, dass Personen mit einem typisch weiblichen Namen (z.B. Emma) eine geringere Chance hatten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden als Personen mit identischem Lebenslauf mit einem typisch männlichen Namen (z.B. Kevin). Das gilt auch für männliche Kandidaten mit Namen, die auf einen Migrationshintergrund hindeuten. Es darf davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz ähnliche Mechanismen wirken.

Unbewusste Vorurteile sind tief in unseren Denkmustern verwurzelt und spielen sowohl in alltäglichen Situationen als auch in professionellen Kontexten eine Rolle. Die Herausforderung besteht darin, sich dieser Vorurteile bewusst zu werden und Strategien zu entwickeln, sie zu erkennen und zu überwinden.

Ein fiktives Praxisbeispiel: Techinnovate, ein mittelgrosses Technologieunternehmen, stellte fest, dass der Grossteil der eingestellten Bewerbenden männlich und weiss war, ­obwohl viele qualifizierte Frauen und Personen aus verschiedenen ethnischen Gruppen auf dem Arbeitsmarkt waren. Die Personalabteilung stellte fest, dass unbewusste Vorurteile der Rekrutierenden die Auswahl der Bewerbenden beeinflussten. Was tun?

  1. Schulung zum Thema unbe­wusste Vorannahmen: Wie entstehen unbewusste Vorurteile, wie wirken sie sich auf Entscheide aus, und wie kann man sie erkennen.
  2. Anonymisierte Bewerbungsprozesse: Um unbewusste Vorurteile zu minimieren, werden Namen, Geschlecht und andere identifizierende Informationen aus den Lebensläufen entfernt.
  3. Diversität im Rekrutierungsteam: Unterschiedliche Perspektiven im Team helfen, unbewusste Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen.
  4. Strukturierte Interviews: Dank festgelegten Fragen und Bewertungskriterien werden alle Bewerbenden gleich behandelt, und die Entscheide basieren auf objektiven Kriterien.
  5. Feedback und kontinuierliche Verbesserung: Eine Analyse und Bewertung nach jeder Rekrutierungsrunde sowie Feedback von den Beteiligten helfen, den Prozess zu optimieren.

Dank dieser Massnahmen konnte Techinnovate die ­Diversität seiner eingestellten Kandidierenden signifikant erhöhen. In den nächsten zwei Rekrutierungszyklen stieg der Anteil der Kandidatinnen um 30%, und die Anzahl der eingestellten Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund verdoppelte sich. Teamdynamik und Kreativität verbesserten sich, da unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen in die Arbeit einflossen.

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