Best Practice: Wenn Chefs in Fuck-up-Sessions als Vorbild vorangehen

Donnerstag, 24. November 2022 - Simon Bühler
Karin Bühler leitet als Chief People Officer das HR-Management der global agierenden Informatikfirma Adnovum und versucht mit unkonventionellen Mitteln das Konfliktmanagement zu verankern.

Welche Bedeutung hat das Konfliktmanagement in Ihrer Arbeit?

Karin Bühler: Das Konfliktbewusstsein ist erfolgsentscheidend und sollte unbedingt zuoberst im Unternehmen verankert sein. Denn aus Konflikten können drastische Kosten
entstehen. Sei es wegen chronischer Effizienzverluste, Reputationsrisiken oder schmerzhafter Krankheits- und Rechtskosten.

Wie sehen Sie die Rolle von HR beim Thema Konfliktmanagement?

Bei Adnovum versuchen wir seitens HR gerade neue Formate zu etablieren und Führungskräften einen Leitfaden für den Umgang mit Konflikten im Team an die Hand zu geben, damit Konflikte zielführend angesprochen und gelöst werden können. Ausgangspunkt für diese Initiative ist eine Mitarbeiterbefragung. Daraus lassen sich datenbasiert Konflikte ablesen. Fakten erleichtern die Thematisierung von Konflikten, weil niemand aus heiterem Himmel das Eis brechen und persönlich werden muss. Bei Eins-zu-eins-Konflikten haben wir die Regel, dass die Vorgesetzten möglichst ohne HR eine Lösung suchen sollen. Die Involvierung von HR stellt bereits eine Eskalationsstufe dar.

Zur Person

Karin Bühler startete ihre HR-Karriere bei Swisscom, bevor sie als HR-Chefin und Mitglied der Geschäftsleitung der LEONI Studer AG tätig war. Sie ist Absolventin des «CAS Konfliktmanagement in der Arbeitswelt» der FHNW und seit 2021 Chief People Management des Softwareunternehmens Adnovum mit Einsitz im obersten Führungsgremium.

Welche Projekte verfolgen Sie in der Konfliktprävention?

Bei Adnovum pflegt man schon lange ganz bewusst eine positive Feedbackkultur, was das Aussprechen von Lob betrifft. Wir nennen das «Praise». Das ist ein starkes Instrument, denn es wirkt wie ein «Like» in den Social Media. In Zukunft möchten wir aber noch verstärkt eine «Instant»-Feedback-Kultur etablieren. Also unmittelbare Feedbacks nach jedem Meeting mit einem Dreiklang bestehend aus drei Leitfragen: 1. Was sind meine Beobachtungen auf der Sachebene? 2. Wie kommt es emotional an? 3. Was wünsche ich mir? Das Instant-Feedback hat den Effekt eines Frühwarnsystems, noch bevor Konflikte entstehen. Dafür haben wir auch die Führungsausbildung intensiviert
und freiwillige Wiederholungssessions eingeführt, wo Konfliktsituationen in Rollenspielen geübt werden können.

Apropos Führung: Welche Konfliktkultur pflegen Sie in der Geschäftsleitung?

Im Wissen, dass Begriffe wie «Offene Kommunikation» und «Feedbackkultur» oft einfach nur wohlklingende Schlagwörter sind, sind wir gut beraten, diese Begriffe als echte Werte in unseren Leadership-Prinzipien zu verankern. HR sollte diesen Prozess als Enabler steuern und begleiten. Aber am Ende ist es ein Führungsthema, das von glaubwürdigen Vorbildern lebt, weshalb wir stark auf das Prinzip «Train the Trainer» setzen. Jüngst hatten wir deshalb in unserem Leadership-Team auf Geschäftsleitungsebene
sogenannte «Fuck-up-Sessions» eingeführt. Dabei geht es darum, ganz offen über eigene Misserfolge und Fehler zu reden, um untereinander das Verständnis und das Vertrauen zu fördern.

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