Bundesgericht: Teilweise Neuberechnung von Corona-Erwerbsersatz

Mittwoch, 14. Dezember 2022
Die ab Mitte September 2020 bis 30. Juni 2021 geltenden Versionen der «Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall» verstossen gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Nun muss eine Tessiner Ausgleichskasse das Taggeld einer Frau teilweise neu berechnen.

Im konkreten Fall beantragte eine als Musikerin und Lehrerin tätige Frau im August 2020 eine Entschädigung wegen Erwerbsausfall infolge der Corona-Pandemie. Die Tessiner Ausgleichskasse berechnete das Taggeld auf der Basis der definitiven Steuerveranlagung des Jahrs 2018. Der so festgelegte Tagessatz galt für die Zeit vom 17. März bis Ende Oktober 2020.

Im Januar 2021 beantragte die Frau bei der Ausgleichskasse eine Neuberechnung des Taggelds. Sie reichte dafür die definitive Steuerveranlagung des Jahrs 2019 ein. Ihr steuerbares Einkommen war deutlich höher als 2018. Die Ausgleichskasse und anschliessend auch das Tessiner Verwaltungsgericht wiesen das Begehren der Frau ab. Vor Bundesgericht hat sie nun teilweise Recht erhalten.

Zwei Phasen

Die zweite sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts in Luzern unterscheidet in ihrem Urteil zwei Zeitphasen. Für die erste - vom 17. März bis 16. September 2020 - hat es an der vom Bundesrat erlassenen Verordnung zum Erwerbsersatz nichts auszusetzen. Darin war festgehalten, dass ein Antrag auf Neuberechnung des Taggelds nur vorgenommen werden könne, wenn die betroffene Person bis zum 16. September 2020 eine aktuellere Steuerveranlagung erhalten und das Gesuch bis dann eingereicht hatte. Weil sich diese Verordnung auf das Notverordnungsrecht stützte, hatte der Bundesrat laut Gericht einen grossen Handlungsspielraum. Die Dringlichkeit der Situation habe ein schnelles Handeln und eine einfache Regelung nötig gemacht.

Ab dem 17. September 2020 bis Ende Juni 2021 sei die Sachlage nicht mehr so dringlich gewesen. Deshalb komme der Wahrung der verfassungsmässigen Rechte höheres Gewicht zu. Zu beachten sei insbesondere, dass Betroffene keinen Einfluss auf die Bearbeitung ihrer Steuererklärung hätten. Ab dem 17. September verstosse die angewandte Lösung deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. (sda)

Urteil 9C_663/2021 vom 6. November 2022

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