Unterstützung braucht Kommunikation

Donnerstag, 02. März 2023 - Karen Heidl
Eine Erkrankung betrifft nicht nur den Körper. Auch die Psyche leidet. Die Forschungslage zeigt, dass sich persönliche Ressourcen wie psychische Stabilität und ein unterstützendes Umfeld positiv auf die Krankheitsbewältigung auswirken. Über Krankheit zu sprechen ist allerdings nicht so einfach.

Derzeit leben in der Schweiz über 70000 an Krebs erkrankte Personen im erwerbsfähigen Alter. Etwa ein Drittel davon wird aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht wieder ins Arbeitsleben integriert. Das Gute: Zwei Drittel verbleiben oder finden den Weg zurück. Allerdings könnten die Rahmenbedingungen für die Reintegration in den Unternehmen noch verbessert werden, sagt Anna Zahno, Leiterin des Krebstelefons der Krebsliga Schweiz. «Zahlreiche Anfragen betreffen eine drohende oder ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Mitarbeitenden, die wieder niedrigprozentig arbeiten können. Es gibt Arbeitgebende, die ihren an Krebs erkrankten Mitarbeitenden nach der Krebstherapie keine oder zu wenig Zeit lassen, das Arbeitspensum langsam wieder zu steigern.»

Krebs werde in der Öffentlichkeit und damit auch am Arbeitsplatz häufig gleichgesetzt mit einer sehr schweren Erkrankung mit häufig tödlichem Ausgang, führt sie weiter aus. So werde dann auch das Ende der Berufstätigkeit assoziiert. Dieses Unwissen über die Krebserkrankung, die Therapien und ihre Folgen erschwere die Wiedereingliederung am Arbeitsplatz. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die subjektive Wahrnehmung und die Einschätzung der Auswirkungen der Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit einer betroffenen Person völlig auseinandergehen.

Anna Zahno ist Leiterin des Krebstelefons, des Informations- und Beratungsdienstes der Krebsliga Schweiz und psychoonkologische Beraterin SGPO.

Die Angst der anderen

Menschen, die eine schwerwiegende Diagnose erhalten, müssen nicht nur ihre eigenen Ängste und Sorgen und auch die Trauer über den Verlust ihrer Unversehrtheit bewältigen, sie sind zudem mit dem Unwissen und den Ängsten konfrontiert, die die Erkrankung in der Vorstellung anderer Menschen auslösen kann. «Diese Angst führt dann häufig dazu, dass sich jemand nicht traut, die Erkrankung offen anzusprechen», berichtet Anna Zahno aus ihren Erfahrungen. Auch existiere die Angst, als kranke Person stigmatisiert zu werden und den Arbeitsplatz zu verlieren. Daraus resultiere nicht selten eine soziale Isolation der Patienten und die Vermeidung von Kommunikation mit Personalverantwortlichen.

Verständnis im Team: nicht selbstverständlich

Anna Zahno hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen die  Bewältigungsstrategien, die sie bereits früh im Leben entwickelt haben, auch bei einer schweren Erkrankung zeigen. «Wenn jemand eine sehr rationale Coping-Strategie hat, dann greift diese auch im Falle einer Krebserkrankung. Wichtig ist, dass das Umfeld diese Unterschiedlichkeit von Reaktionsweisen akzeptiert. Wenn jemand zum Beispiel sehr rational reagiert, kann es passieren, dass Menschen im Umfeld von Verdrängung sprechen und dies kritisch sehen. Diese Übertragung der eigenen Reaktionsweise auf andere kann ein schwieriges Thema werden.»

Herausforderung transparente Kommunikation

Aufklärung und Kommunikation sind wichtige Schlüssel, um Ängsten zu begegnen. Je nach Krankheitsphase stellen sich die Betroffenen verschiedene Fragen. Anna Zahno empfiehlt Personalverantwortlichen, in verschiedenen Phasen der Therapie und auch danach wiederholt auf die Betroffenen zuzugehen und das Gespräch zu suchen.

Nach der Diagnose

Zum Zeitpunkt der Diagnose stehen bei den Betroffenen Unsicherheit, Angst vor Stellenverlust und nicht selten auch Schuldgefühle, weil man den Arbeitskollegen und -kolleginnen zu viel auflasten könnte, im Vordergrund; diese sollten Arbeitgebende erst einmal entgegennehmen, rät Anna Zahno. Wichtig sei es in dieser Phase, den Betroffenen eine gewisse Sicherheit zu geben, dass man sie in dieser Situation unterstützen werde.

Am Anfang sei es zudem wichtig, organisatorische Aspekte abzuklären:

  • Wer darf und soll informiert werden?
  • Mit wem im Team hat die betroffene Person regelmässig Kontakt?
  • Wer ist anzusprechen, wenn es um Unterstützung oder Arbeitsorganisation geht?
  • Wie sieht aktuell der Zeitplan für die Behandlung aus?
  • Wie soll die Arbeit in der Zwischenzeit organisiert werden?
Während der Therapie

Im weiteren Verlauf der Behandlung muss abgeklärt werden, wieweit eine Arbeitsunfähigkeit besteht und wie die Arbeit gestaltet werden kann, um den Ruhe- und Behandlungsroutinen der Erkrankten gerecht zu werden.

Zu dieser Kommunikation gehören auch einige Sachinformationen zum Verlauf der Therapie, welche Verläufe eintreten können und welche Folgen sich für die Leistungsfähigkeit einstellen könnten. Damit wird das Thema auch rationalisiert und verliert an diffuser, angsteinflössender Bedrohlichkeit.

Diese offene Kommunikation, zu der Betroffene jedoch keineswegs verpflichtet sind, fördert das Verständnis des Teams für die Situation, die ohne geeignete Information schnell zu Spannungen führen kann.

Während oder nach einer Chemo- oder anderen Therapien und während der Wiedereingliederung muss abgeklärt werden, ob Anpassungen am Arbeitsplatz notwendig sind:

  • Müssen die Arbeitsaufgaben verändert werden?
  • Braucht es zusätzliche Pausen?
  • Welches Arbeitspensum ist zumutbar?

Diese Themen müssen je nach Behandlungsverlauf möglicherweise mehrmals besprochen werden, da Verläufe unterschiedlich sein können.

«Um das Team ins Boot zu holen, kann es hilfreich sein, mit ihm gemeinsam die Fragen der Arbeitsorganisation zu besprechen. Dann ist in der Regel die Akzeptanz für die Mehrarbeit höher», rät Anna Zahno. Optimalerweise wird frühzeitig ein Case Management aktiviert, sofern die erkrankte Person ihre Einwilligung dazu gibt. Lesen Sie dazu auch den Artikel «Case Management und Datenschutz».

Zum oder nach dem Ende der Therapie

Eine Krankheit kann einen Einschnitt im Leben darstellen, der nachhaltige Folgen für die weitere Lebensgestaltung hat. Die Krankheitserfahrung kann beispielsweise zur Erkenntnis führen, dass man in Zukunft weniger arbeiten oder weniger Verantwortung übernehmen möchte. Diese Themen sind jedoch normalerweise der Therapie nachgelagert.

Hinweise zum Thema Krebs am Arbeitsplatz

Die Krebsliga Schweiz hat zum Thema Arbeit mit Krebs mehrere Broschüren zusammengestellt, die man als PDF-Datei aus dem Internet herunterladen oder kostenlos bestellen kann:

  • «Arbeiten mit und nach Krebs» – Ein Ratgeber für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • Leitfaden «Krebsbetroffene am Arbeitsplatz – Meine Mitarbeiterin/mein Mitarbeiter hat Krebs», mit hilfreichen Checklisten für die Gesprächsführung.
  • Leitfaden «Krebsbetroffene am Arbeitsplatz – Meine Kollegin/mein Kollege hat Krebs»
  • Leitfaden «Krebsbetroffene am Arbeitsplatz – Ich habe Krebs»

Alle Publikationen im Überblick zum Download oder zum Bestellen.

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