Delta-Variante verschärft Debatten über Impfzwang – US-Unternehmen reagieren

Samstag, 31. Juli 2021
An Fragen der Impfpflicht scheiden sich in vielen Ländern die Geister. Die gesellschaftlichen Debatten werden in aller Heftigkeit geführt. Google, Facebook, Uber u.a. haben für ihre Mitarbeitenden eine Impfpflicht eingeführt. Neugeimpfte sollen in den USA 100 Dollar Belohnung erhalten, während in Deutschland Lockmittel wie Bratwürste und Fussballevents dem Klischeebild germanischer Tugenden gerecht werden.

Angesichts einer neuen Corona-Welle und einer stockenden Impfquote drängt die US-Regierung mehrere Millionen Mitarbeiter mit neuen Regeln zur Impfung. Angestellte des Bundes, die keinen Impfnachweis vorlegen können, sollen künftig stets eine Maske tragen müssen und ein bis zwei Mal pro Woche auf eine mögliche Infektion getestet werden, wie US-Präsident Joe Biden erklärte. Um die Impfquote in der Bevölkerung anzuheben, fordert er Bundesstaaten und Kommunen zudem auf, jeder neu geimpften Person eine Belohnung von 100 US-Dollar (85 Euro) zu zahlen.

Unternehmen verlangen Impfnachweis für Präsenzarbeit

Unternehmen reagieren inzwischen ebenfalls auf das neue Bedrohungsszenario durch die hochansteckende Delta-Variante des Corona-Virus’, wie der US-amerikanische Nachrichtensender CNN schreibt. Google-CEO Sundar Pichai kündigte in einer Email an, dass vorläufig nur geimpfte Mitarbeitende an ihre Arbeitsplätze zurückkehren dürften. Nichtgeimpfte müssen am Homeoffice-Arbeitsplatz bleiben. «Sich impfen zu lassen ist eine der wichtigsten Massnahmen, um uns und unsere Gemeinschaft in den kommenden Monaten gesund zu erhalten,» schrieb er in seiner Mitteilung. Ebenso haben Facebook, Netflix, Uber, Blackrock, Washington Post, Morgan Stanley und weitere ihre Anordnungen begründet.

Impfplicht für Angestellte im Gesundheitsbereich in der Schweiz?

Vor allem öffentliche Diskussionen um eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich zeigen auch in der Schweiz den Graben zwischen Anspruch und Verantwortung.

So hält der Verband der Pflegenden nichts davon, ungeimpftem Personal den Lohn zu kürzen, wenn es wegen Corona in Quarantäne muss. Die Massnahme, die etwa die Juraspitäler ab September vorsehen, sei kontraproduktiv, um das Gesundheitspersonal für eine Impfung gegen das Coronavirus zu motivieren. Die Massnahme sei viel eher ein schwieriges Signal der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wenn jemand aufgrund einer Exposition am Arbeitsort in Quarantäne müsse, teilte der Verband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Jegliche Form von Druck sei kontraproduktiv.

Arbeitsrechtlich sei die Massnahme zwar wohl zulässig, wenn eine Quarantäne als Krankheit interpretiert werden könne. Aber es gebe andere Massnahmen, um eine Person zu einer Impfung zu bewegen, wie informieren, beraten, Ängste ernst nehmen und das Gespräch suchen. Die Pflegefachpersonen sollen sich ernsthaft und professionell mit den Informationen auseinanderzusetzen und die Gefahren der Krankheit gegen die Gefahren der Impfung abwägen, appelliert der Verband.

Auch der Bioethiker Christoph Rehmann-Sutter plädierte für positive Anreize statt für einen «Impfzwang», wie er einem Interview mit den Zeitungen der CH Media sagte. Sich impfen zu lassen, sei aus der freien Verantwortung für andere und für sich selbst eine solidarische Pflicht. Gerade daher würde er von Zwangsmassnahmen abraten, sagte der an der Universität Basel lehrende Schweizer Molekularbiologe und Philosoph.

Ethiker hält Impfpflicht für angezeigt

Aus ethischer Sicht halte er jedoch eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal für angezeigt. Dies wiederum lehnt der Verband der Pflegekräfte ab. Auf der anderen Seite befürwortet der Verband, dass ungeimpftes Gesundheitspersonal regelmässig getestet werden muss. Diesen Vorschlag machte Bundesrat Alain Berset gegenüber den Kantonen.

Der Kanton Bern teilte mit, dass er diese Idee stützen will: Weil die Impfquote beim Gesundheitspersonal nach wie vor tief ist, erwartet die kantonale Gesundheitsdirektion von den Spitälern, Kliniken und Heimen, dass symptomlose, nicht immune Mitarbeitende alle fünf bis sieben Tage auf das Coronavirus getestet, wie die bernische Gesundheitsdirektion am Freitag mitteilte.

Impfhappenings statt Druck

Dass positive Anreize nicht unbedingt aufwendig sein müssen, zeigte eine Erfahrung in Deutschland: Eine Bratwurst als Belohnung hat einer Impfstelle im Bundesland Thüringen einen regelrechten Ansturm auf Covid-19-Impftermine beschert. Das erstmals angebotene «Bratwurst-Impfen» ist eine von mehreren Ideen, mit denen Thüringen der zunehmenden Impfmüdigkeit begegnen will. Dazu gehören nach Angaben des Gesundheitsministeriums auch Impfangebote bei Fussballspielen des Viertligisten FC Carl Zeiss Jena oder solche des Nachts. (sda/he)

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