Der Spirit der neuen Arbeitswelt: Die Kreation eines New Work Manifestos

Freitag, 30. Dezember 2022
Durch die Coronakrise stellen sich vielen Unternehmen Fragen nach der grundsätzlichen Neuaufstellung bei der Arbeitsorganisation. Orientierung will ihnen das New Work Manifesto geben, das eine Arbeitsgruppe in einer gemeinsamen Co-Kreation für den deutschsprachigen Raum entwickelt hat.

Für diese Idee gibt es einen historischen Vorläufer aus den USA: Im Jahr 2001 hat eine Gruppe von Programmierern Leitsätze zur agilen Softwareentwicklung formuliert. Diese gingen als Agiles Manifest in die Geschichte ein.

Vier Leitsätze des Agilen Manifests

  • Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
  • Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentationen.
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.
  • Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.

Über 20 Jahre später formierte das Seminar- und Coaching-Unternehmen Brainbirds ein Co-Creation-Projekt, das zum Ziel hat, der Idee des New Work eine Manifestation zu geben. Der Begriff New Work wurde Ende der siebziger Jahre vom Philosophen Frithjof Bergmann eingeführt, um seine Gedanken von einem neuen Verständnis von Arbeit in einer sich zunehmend technologisch weiterentwickelnden Welt auszudrücken. Heute ist dieser Begriff keineswegs klar fassbar oder gar eindeutig definiert.

Jana Sigel ist für das Business Development bei Brainbirds zuständig. Das Unternehmen unterstützt Menschen und Organisationen im Kulturwandel rund um neues Arbeiten und Führen. Sie sagt: «Unsere Kunden haben recht unterschiedliche Vorstellungen von New Work: Während die einen über neue Raumkonzepte nachdenken, versuchen andere eine Haltung zum Thema hybrides Arbeiten zwischen Homeoffice und Büro zu finden. Dies sind zwar wichtige Aspekte, aber eben nur Teile einer Herangehensweise, die man als New Work bezeichnet.»

New Work drücke häufig den Wunsch aus, Arbeit neu zu gestalten, weil sich einige Rahmenbedingungen geändert hätten, die dies erforderlich machten, führt Sigel weiter aus. So entstand im täglichen Austausch über diese Themen mit ihren Kundinnen und Kunden aus ganz verschiedenen Unternehmen die Idee, dem Konzept New Work eine Gestalt zu geben, die branchen- und kulturübergreifend anwendbar ist und Orientierung für die Kulturentwicklung eines Unternehmens gibt.

Der Prozess der Co-Kreation

In Folge stellte Brainbirds eine co-kreative Eventreihe mit Teilnehmenden aus Deutschland, der Schweiz und Österreich auf die Beine. Kreatoren aus diversen Generationen, Branchen und Unternehmenstypen und -hierarchien haben sich in verschiedenen Konstellationen getroffen und ausgetauscht. «Diese Diversität erlaubte uns einen Realitätscheck hinsichtlich der Frage, ob die entstandenen Leitsätze in allen Branchen und Umfeldern Anwendung finden könnten», erläutert Sigel eine Erkenntnis aus der Zusammenarbeit. In München kam eine Gruppe von zehn Menschen zusammen, die einen ersten Entwurf erarbeitete. Dieser Prozess wurde auf einem Miro-Board dokumentiert und dann in Wien in einer hybriden Veranstaltung mit einem fünfköpfigen Podium und ca. 40 online zugeschalteten und vor Ort teilnehmenden Zuschauern diskutiert, kommentiert und verändert. Zum Schluss haben sich Menschen aus den beiden Gruppen virtuell getroffen, um die von Brainbirds auf Basis der bisherigen Diskussionen erstellte Version des Manifests zu besprechen, wobei es in dieser Phase um Feinjustierungen bei den Formulierungen ging, berichtet Jana Sigel.

«Eine wichtige Erkenntnis aus diesen Meetups war wieder einmal, dass es wichtig ist, in hybriden Veranstaltungen ein klares Zeitmanagement zu haben, Diskussionen an den richtigen Stellen laufen zu lassen oder auch mal abzubrechen und die Zwischenergebnisse immer wieder zusammenzufassen. Struktur war wieder einmal der Schlüssel für die Effektivität», erzählt sie rückblickend über den Verlauf der Diskussionen in den Gruppen, die ihr auch neue Erkenntnisse vermittelten. «Eine neue Perspektive in dieser Diskussion gewann ich mit dem Punkt, dass uns das Bildungssystem eigentlich wenig auf neue Arbeitsweisen vorbereitet. Es liegt an den Unternehmen, Einzelnen und am Team Leitplanken zu geben und zu befähigen. Das erschien mir als wichtiger Input. Geschieht diese Befähigung nicht, ermüden die Menschen unter den Erwartungen und sind irgendwann erschöpft.» Besonders beeindruckt haben Sigel das Engagement und der Spirit der Co-Kreatorinnen und -Kreatoren, die eine Art Wertematrix für eine bessere Arbeitswelt erarbeiteten.

Das New Work Manifesto

Die Manifesto-Gruppe definierte Werte und Prinzipien, die auf den Ebenen Individuum, Team und Organisation gleichermassen Anwendung finden sollen. Ausgehend von drei Grundprinzipien, nämlich Menschenzentrierung, Eigenverantwortung und Chancenorientierung, bildete sie eine Gruppe von neun Subwerten (siehe Manifesto oberer Teil).

Es ging dann um die Frage, welche Konzepte durch neue Herangehensweisen ersetzt werden sollten, und zwar heruntergebrochen auf die Dimensionen Individuum, Team, Organisation. Aus dieser Zuordnung wurden dann die Leitsätze entwickelt, die Eingang in das Manifest fanden (siehe New Work Manifesto unterer Teil).

New Work Manifesto nach Brainbirds New Work Manifesto nach Brainbirds

Wo ist der Kunde?

Das Agile Manifest entstand aus einer Kundenperspektive, die eine weniger fehleranfällige neue Herangehensweise an Software-Entwicklungs-Projekte notwendig machte. In der Konsequenz brachte diese Methode eine Kultur des Vorrangs menschlicher Interaktion zwischen allen Beteiligten und Flexibilität in jeder Projektphase hinsichtlich veränderter Kundenanforderungen hervor. Eine Kundenperspektive kommt im New Work Manifesto nicht explizit vor. «Während sich das agile Manifest stark auf die agilen Projektmethoden fokussiert und zudem aus dem IT-Umfeld stammt, wollten wir keine so engen Grenzen ziehen. Das New Work Manifesto sollte für alle Branchen und unabhängig vom Arbeitskontext Einzelner allgemein gültig sein. Der Kundenfokus steckt in diesem Manifest bereits im ersten Punkt – im Fokus auf den Menschen. Für uns ist der Kunde nicht nur der externe Kunde, sondern auch der interne Kunde, also Kollegen und Mitarbeitende. In der Sinnstiftung finden wir ebenfalls Aspekte der Kundenzentrierung, beispielsweise im Purpose, der immer auf dem Kundennutzen basiert. Dies haben wir nicht explizit herausgearbeitet, aber die Kundenbeziehung wird von den definierten Leitsätzen auch erfasst», erklärt Jana Sigel die Sichtweise auf diesen Aspekt.

Wie geht es weiter?

Im nächsten Schritt präsentieren die Kreatorinnen und Kreatoren das New Work Manifesto in ihren Unternehmen. «Wir warten jetzt das Feedback aus weiteren Kreisen ab und werden es dann weiter überarbeiten», führt Sigel aus. Das New Work Manifesto soll so laufend weiterentwickelt werden.

Kommentar der Redaktion zum Thema

Links

Ausführlicher Blogbeitrag zum Projekt von Brainbirds
New Work Manifesto zum Download (PDF)

 

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