Stelldichein der Payroll- und Sozialversicherungsbranche

Donnerstag, 18. Januar 2024 - Simon Bühler
Die Tagung «Lohn & Sozialversicherungen» startete mit je rund 180 Fachleuten im Auditorium vom Technopark Zürich sowie im Live-Stream ins neue Jahr. Hochkarätige Referate machten den Event auch 2024 zum unverzichtbaren Pflichttermin.

Mit viel Sachkompetenz, Verve und Sinn für treffsichere Pointen eröffnete Sozialversicherungsexpertin Beatrix Bock (Kessler & Co AG) die Tagung mit der wie immer mit grosser Spannung erwarteten Übersicht zu den Neuerungen und Änderungen in den Sozialversicherungen im neuen Jahr. Sie setzte einen Fokus auf die dringlichsten Themen, die dem Fachpublikum aktuell unter den Nägeln brennen: Neben den mit Masszahlen und Grenzwerten unterfütterten Neuerungen in der AHV und einem Ausblick auf die BVG-Revision, die im Frühjahr an die Urne kommt, verstand es Bock, das anwesende HR-Publikum praxisnah abzuholen.

Von Bürokratiemonstern und Babyboomern

Dabei scheute sie sich auch nicht, vor gewissen Änderungen zu warnen. Etwa am herannahenden Bürokratiemonster, wonach künftig sämtliche Reisen mit einem geschäftlich finanzierten General-Abonnement akribisch registriert werden müssen, während früher nur 40 Dienstfahrten deklariert werden mussten. Auch der anstehende Arbeitsmarktaustritt der weiblichen Babyboomer, die als sogenannte «Übergangsgeneration» erstmals über das bisherige Rentenalter von 63 Jahren hinaus arbeiten muss, dürfte administrativ einige neue Herausforderungen bereithalten. Laut Bock bricht damit nichts weniger als eine neue Zeitrechnung an, wobei sie trocken resümierte: «Es wird viel Arbeit auf HR zukommen.»

Stolpersteine und Minenfelder im Lohnausweis

Beatrix Bocks Referat löste im Saal und im Chat zahlreiche Anschlussfragen aus – wobei die Themen Renten-Vorbezug und AHV-Freibetrag besonders viel zu reden gaben. Gleichzeitig schlug Bock mit ihrer Übersicht auch eine perfekte Brücke zum nachfolgenden Referat von Sozialversicherungsexperte Ralph Büchel (Caveris AG) und Steuerfachmann Bert Marxer (Kelonia Trust) zum Thema «Lohnausweis - Stolpersteine an der Schnittstelle von Sozialversicherungen und Steuern». Ein vermeintlich trockenes Thema, das die beiden Experten dank der locker frotzelnd dargebotenen Dialogform mit durchaus hohem Unterhaltungswert auf die Bühne brachten.

Auf besonders grosses Interesse stiessen dabei die kniffligen administrativen Spannungsfelder zwischen Sozialversicherungen und Steuerbehörden. Etwa bei der korrekten Lohnausweis-Deklaration von Fringe Benefits. Wobei insbesondere der administrative Umgang mit dem sogenannten «Privatanteil» bei Elektroautos noch weitgehend unerforschtes Neuland darstellt, weil Fahrzeug und Batterie sowie die Ladestation-Infrastruktur künftig in Anlehnung an die direkte Bundessteuer getrennt behandelt werden müssen.

Zukunftsthemen mit Klärungsbedarf

Für reichlich Diskussionsstoff sorgte auch der korrekte Umgang mit der Steuerpflicht von Grenzgängern im Wohnsitzstaat im Kontext des Schweizer Rechts bei gleichzeitiger Wahrung der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Als Zukunftsthema mit Klärungsbedarf entpuppt sich zunehmend die Frage der Lohnausweis-Deklaration bei Beteiligungsmodellen von Mitarbeitenden. Ebenso die Frage, wie bei dem Verkauf von KMU, die keine Aktiengesellschaften sind, vom Käufer die Sozialversicherungsbeiträge optimalerweise abzurechnen sind - ohne mit den Steuerbehörden in Konflikt zu geraten.

Lücken und Brücken in der Erwerbsbiografie

Nach einer angeregten Kaffeepause widmete sich Myriam Minnig (Leiterin Sozialversicherungen und Vorsorge sosec BDO Schweiz) den «Kurven im Lebenslauf» mit einem besonderen Fokus auf die sozialversicherungsrechtlichen «Lücken» und «Brücken». Dafür zeigte sie zunächst die Folgen von mehr oder weniger freiwilligen Erwerbsunterbrüchen auf, wie sie etwa eine Auszeit, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit mit sich bringen. Gefolgt mit konkreten Modellen, wie sich die negativen Konsequenzen minimieren lassen. Auf besonderes Interesse stiess dabei ihre praxisorientierte Darstellung, wie sich die immer beliebteren Arbeitsmodelle in Teilzeit sowie Mehrfachbeschäftigung in Anstellung und Selbstständigkeit punkto Sozialversicherungsschutz optimal ausgestalten lassen.

Rechtliche Herausforderungen der flexiblen Arbeitswelt

Nach der Mittagspause und zwei gut besuchten Sponsoren-Praxis-Inputs von Swibeco und HR Campus widmete sich das Arbeitsrecht-Expertenteam von Martina Aepli und ihrem Kollegen Roman Cincelli (MME) den juristischen Herausforderungen, die die Flexibilisierung der Arbeitswelt mit Homeoffice und Workation-Arbeitsmodellen sich bringen und setzten dabei am Puls der Zeit einen Schwerpunkt auf die Chancen und Stolpersteine im Spannungsfeld von Arbeitnehmerwunsch und Umsetzbarkeit.

Pensionskassen und Employer Branding

Vorsorge-Experte Sandro Quinz (Trianon) zeigte darauf in einem lebendigen Referat, wie Pensionskassenleistungen als Faktor des Employer Brandings eingesetzt werden können. Neben einer Auslegeordnung der wichtigsten Stellschrauben und einer massgeschneiderten Abwägung der für Unternehmen und Belegschaft individuell sinnvollsten Massnahmen hob er insbesondere die überobligatorischen Leistungen als Argument bei der Fachkräftesuche und Mitarbeiterbindung hervor.

Einblicke einer Quereinsteigerin

Nach der Kaffeepause gab die ehemalige Radio- und Fernsehfrau Karin Müller einen erfrischend persönlichen Einblick, wie sie sich nach ihrer rund 30-jährigen Medienkarriere als Moderatorin bei DRS 3, Programmleiterin bei Radio Pilatus, Geschäftsführerin von Radio 24 und Chefredaktorin bei Telebasel vor drei Jahren als Leiterin vom RAV Meilen mit einem erfolgreichen Turnaround beruflich neu erfunden hat. Heute arbeitet sie als Bereichsleiterin Logistik Arbeitsmarktliche Massnahmen im Amt für Wirtschaft und Arbeit beim Kanton Aargau. In dieser Funktion ist sie dafür verantwortlich, die Employability der arbeitslosen Versicherten zu erhöhen. Bei aller Begeisterung über ihre neue Aufgabe verhehlte Müller nicht, dass ihr Jobwechsel vom glamourösen Rampenlicht als TV-Chefredaktorin in die eher «unsexy» apostrophierte Welt der Sozialversicherungsbranche gerade in der Medienszene einige Irritationen ausgelöst hat.

Plädoyer für selbstbewusste Karriereplanung

Müller nimmt es gelassen und verweist augenzwinkernd auf die im Gegensatz zur Medienbranche höheren Budgets, die ihr in ihrer neuen Position grossen Gestaltungsfreiraum bei der Umsetzung neuer Ideen und Formate eröffnen. Dazu gehören auch technologisch innovative Leuchtturm-Projekte. Etwa ein geplantes Kursprogramm, das Arbeitslosen vermitteln soll, wie sich mithilfe Künstlicher Intelligenz und Algorithmen die Arbeitssuche optimieren lässt. Müller beendete ihren Auftritt mit einem flammenden Plädoyer für eine selbstbewusste Karriereplanung. Dabei wandte sie sich bewusst an die weibliche Mehrheit im Saal und ermunterte namentlich Frauen der ü50-Generation nicht defensiv in Selbstzweifeln zu verharren, sondern den Mut aufzubringen, sich im Zweifelsfall auch neu zu erfinden. Das Publikum verabschiedete Karin Müller mit einem herzlichen Applaus.

Fortsetzung folgt

Zum Abschluss der Tagung gab Rechtsanwalt Peter Rösler einen Einblick in aktuelle Sozialversicherungsurteile für die Personalarbeit. Wie bereits im Vorjahr legte er einen besonderen Schwerpunkt auf das Gig-Economy-Geschäftsmodell von Uber. 2023 hatte ein neues Bundesgerichtsurteil befunden, dass es sich bei der Tätigkeit von Uber-Chauffeuren nicht um eine selbständige Erwerbsarbeit handelt. Für Rösler ein noch zu wenig durchdachtes Urteil, das früher oder später revidiert werden dürfte. Für Gesprächsstoff dürfte also auch 2025 gesorgt sein.

Save the Date

Die nächste Durchführung der Tagung «Lohn und Sozialversicherungen» ist für den 9. Januar 2025 geplant. Reservieren Sie sich den Termin schon jetzt!

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