Zur Sache bitte beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement!

Donnerstag, 20. Januar 2022 - Lucien Baumgaertner
Viele Unternehmen, vor allem im KMU-Bereich, tun sich einerseits schwer mit der Begrifflichkeit des Betrieblichen Gesundheitsmanagements; auf der anderen Seite werden die Unternehmen spätestens im Rahmen von Neuverhandlungen der Krankentaggeld-Policen sehr konkret mit dem Thema konfrontiert. Eine strukturierte Vorgehensweise anhand des BGM-Säulenmodells hilft, einen strategischen Zugang zum Thema zu finden.

Die Krankheitskosten in vielen Unternehmen steigen zwar, trotzdem wird in vielen Unternehmen das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) nicht angegangen, weil man die Aufwände und Kosten fürchtet. Um hier in eine Gegenbewegung zu kommen, ist ein strategischer und gleichzeitig fokussierter Ansatz wichtig, denn es geht letztlich nicht darum, mit Angeboten wie Massage- oder Fitnesscenter-Gutscheinen zu glänzen. Eine strukturierte und geplante Vorgehensweise für die Entwicklung einer eigenen BGM-Strategie für das Unternehmen soll auf dessen strategische Ziele einzahlen. Mit klarem Fokus und stetigem Blick auf das BGM-Säulenmodell können auch Unternehmen mit kleinen Budgets in Sachen BGM etwas bewegen und erfolgreich sein.

Der strategische Ansatz

Die Entwicklung einer Strategie basiert immer auf einem vorher festgelegten Ziel, auf einem gemeinsamen Bild des erwünschten Zustands. So besteht denn auch der erste Schritt darin, sich intern im Unternehmen darüber zu einigen, welche Ziele mit der Einführung eines BGM verfolgt werden sollen. Geht es ausschliesslich darum, den steigenden Prämienkosten entgegenzuwirken, oder kann es beispielsweise auch darum gehen, BGM als Bestandteil einer positiven Arbeitgebermarke zu positionieren und zu stärken? Es ist wichtig, dass diese Diskussion im Unternehmen geführt und ein entsprechendes Ziel formuliert wird – einerseits um ein Bewusstsein im Unternehmen für den Sinn der abgeleiteten Massnahmen zu schaffen, andererseits dann aus der Analyse die konkreten Schritte stringent abzuleiten.

Vorgehensweise

Ist im Rahmen des unternehmensstrategischen Ansatzes das Ziel bestimmt, geht es darum, sich über die möglichen Wege zu unterhalten, die zu diesem Ziel führen können. Hier bietet sich ein Prozess an, der in vier Phasen strukturiert ist:

Analyse: In der Analyse geht es darum, sich ein genaues Bild über die Treiber der Gesundheitskosten zu machen. Häufen sich die Absenzen in einer Abteilung speziell? Gibt es bestimmte Krankheitsbilder (sofern bekannt), die besonders häufig vorkommen? Wie haben sich die Zahlen von nie abwesendem Personal im Verlauf der letzten Jahre verändert? Antworten auf diese Fragen erhält man teilweise aus den HR-Systemen, direkt vom Versicherer oder gerade in kleineren Unternehmen auf dem «kleinen Dienstweg», denn die HR- oder Payroll-Verantwortlichen haben oft ein gutes Gespür für die Entwicklung in diesen Themen. Dieses Gespür hilft vor allem dann, wenn keine solide Datenbasis besteht.

Massnahmen: Auf Basis der Analyse können im zweiten Schritt Massnahmen entwickelt und diskutiert werden – dies immer entlang der Fragestellung, wo denn für das Unternehmen der grösste Hebel besteht, wo sich also eine Investition lohnen könnte. Stellt das Unternehmen beispielsweise im Rahmen der Analyse fest, dass viele Mitarbeitende aus der Produktion an Rückenbeschwerden leiden, ist es viel wirksamer und konkreter, hier direkt anzusetzen, als alle Mitarbeitenden im Bereich Stressmanagement zu schulen. Zentral ist, dass die Massnahmen auf Basis konkreter Hinweise ausgewählt werden und dass sie auf das gemeinsam formulierte Ziel einzahlen.

Unterstützung: Die ersten beiden Schritte können Unternehmen oft ohne externe Unterstützung gehen, oder sie lassen sich vom Versicherer oder Versicherungsbroker begleiten. Viele bieten diese Form der Unterstützung kostenfrei an. Sind die Massnahmen definiert, lohnt es sich allenfalls, punktuell externe Unterstützung in das Unternehmen zu holen: Physiotherapeutinnen und -therapeuten können Betriebsbegehungen durchführen und konkrete Unterstützung vor Ort anbieten, externe Führungsentwicklungsangebote können den Vorgesetzten wertvolle Inputs geben, sie in Gesprächsführung schulen usw. Auf dem Markt existieren viele Angebote – zentral ist auch hier wieder, dass die Unterstützung immer in Richtung des gemeinsam formulierten Ziels geht und auf den Ergebnissen aus der Analyse basiert.

Überprüfung: Eine Schwierigkeit in der Einführung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements besteht darin, dass selten ganz kurzfristige Erfolge sichtbar werden. Umso wichtiger ist es, den Erfolg der Massnahmen mit geeigneten Methoden laufend und über eine längere Zeit zu überprüfen. Dabei helfen einfache Kennzahlensets, allfällige Ergebnisse aus kurzen Mitarbeitendenbefragungen – und natürlich die konkrete Entwicklung der Absenzkosten, die der Versicherer jederzeit zur Verfügung stellen kann.

Das BGM-Säulenmodell

Bei der Orientierung über die Massnahmenoptionen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist das BGM-Säulenmodell hilfreich: Es deckt viele wichtige Aspekte des Gesundheitsmanagements ab und hilft dabei, am richtigen Ort aktiv zu werden.

Übergeordnet geht es im Betrieblichen Gesundheitsmanagement darum, im Unternehmen drei Säulen immer im Blick zu haben:

Prävention: Klar – am besten ist es für das Unternehmen, wenn die Mitarbeitenden gar nicht erst krank werden. Im Hinblick auf eine Kostenreduktion in den Krankentaggeld-Kosten ist es in diesem Bereich wichtig, dass die Mitarbeitenden nicht wahllos mit irgendwelchen Angeboten bedient werden, sondern dass die Präventionsangebote konkret auf die Arbeitsbedingungen im Unternehmen zugeschnitten sind. In Schichtbetrieben bietet es sich beispielsweise an, das Wissen der Mitarbeitenden zum Thema «Ernährung in der Schichtarbeit» zu erweitern und dann auch intern die entsprechenden Produkte verfügbar zu machen.

Lenkung & Controlling: Diese Säule steht in der Mitte des Hauses in der Grafik. Eine systematische Erfassung und Auswertung der Absenzen hilft dabei, Muster zu erkennen und diesen falls nötig entgegenzuwirken. Dazu werden häufig keine teuren Tools benötigt; vieles kann direkt aus dem Zeiterfassungssystem abgeleitet und allenfalls mit einfachen Excel-Reports angepasst werden. Diese Transparenz in den Zahlen ist wichtig für den ganzen Prozess, denn mit diesen Zahlen lässt sich unter anderem auch die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen messen.

Care Management: Es wird für ein Unternehmen nie möglich sein, alle Krankheitsfälle zu verhindern – die dritte Säule bildet also den Bereich ab, wie mit kranken Mitarbeitenden umgegangen wird. Wer aus dem Unternehmen hält Kontakt mit der kranken Person, welche Rolle spielen der Krankenversicherer und das Case Management, wie läuft die Kommunikation in diesen Schnittstellen? Je nach Grösse des Unternehmens hilft in dem Bereich auch ein regelmässiger Austausch mit dem Krankenversicherer.

Führung: Die drei Säulen stehen auf dem Fundament der Führung: viele Vorgesetzte sind sich nicht bewusst, welche Verantwortung sie beispielsweise in der Früherkennung von Ausfällen oder in der Begleitung von erkrankten Mitarbeitenden tragen. Oft haben sie auch nicht das Know-how, wie sie heikle Gespräche im Zusammenhang mit Mitarbeitenden führen sollen, wann sie wen einbeziehen usw. Hier hilft eine konkrete Unterstützung aus dem Bereich Human Resources den Vorgesetzten, ihre Rolle wahrzunehmen. Dazu ist es zieldienlich, wenn beispielsweise in internen Führungsentwicklungen diese Rolle thematisiert wird und die Vorgesetzten entsprechende Tools erhalten.

Vieles im Bereich Gesundheitsmanagement hängt direkt von den Vorgesetzten ab: Absenzen- und Krankheitsmanagement sind in erster Linie Führungssache. Die Führungskräfte brauchen dazu das Know-how aus den HR-Abteilungen, um ihre Verantwortung auch aktiv wahrnehmen zu können.

Der konkrete nächste Schritt

Entwicklung beginnt immer mit dem «nächsten Schritt»: Unabhängig von der Grösse des Unternehmens ist es wichtig, das Thema zu positionieren – einerseits, weil die Krankheitskosten ein grosser Kostentreiber sind, andererseits auch, weil sich die Unternehmen selbst auch als Arbeitgebende profilieren können. Es lohnt sich also, das Thema anzugehen, in kleinen Schritten und fokussiert auf das, was im Unternehmen wirklich etwas bewirkt.

Take-Aways

  • Die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements ist nicht zwingend mit hohen Kosten und Aufwänden verbunden. Entscheidend ist es, da anzusetzen, wo das Unternehmen für sich den grössten Hebel sieht.
  • Um die für das Unternehmen geeigneten Massnahmen zu evaluieren, hilft es, sich sehr strukturiert durch den Prozess zu bewegen: Analyse, Massnahmendefinition, Unterstützung, Überprüfung sind die wichtigsten Elemente in diesem Prozess.
  • In der Auswahl der Massnahmen hilft ein Blick auf die BGM-Säulen (Prävention, Lenkung & Controlling, Care Management) – basierend auf dem Verantwortungsbewusstsein der Führungskräfte auch beim Thema Gesundheit.
  • Die Vorgesetzten bilden eine zentrale Rolle im BGM, die von ihren Unternehmen auch dazu befähigt werden müssen, ihre Rolle wahrnehmen zu können.

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